AfD drittstärkste Kraft AfD drittstärkste Kraft: Gauland kündigt harten Oppositionskurs an

In anderen europäischen Ländern sind Rechtspopulisten längst in die Parlamente eingezogen, in Deutschland aber galt es jahrzehntelang als Tabu, dass eine Partei rechts der Union im Bundestag vertreten ist. Im 19. Deutschen Bundestag wird das anders sein, dort wird erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik eine rechtspopulistische Partei sitzen, sieht man von einigen nationalkonservativen Gruppen in den Anfangsjahren ab.
Und damit nicht genug: Die AfD wird sogar die drittstärkste Kraft. Sie ist die große Wahlsiegerin, das ist klar. Jubel brandet auf im Traffic Club, einem Nachtklub für eher älteres Publikum in der Nähe des Berliner Alexanderplatzes, wo die Partei ihre Wahlparty abhält, als die ersten Prognosen über den Bildschirm flimmern. Draußen sichert das übliche Großaufgebot der Polizei die Veranstaltung, dort versammeln sich Gegendemonstranten, die Stimmung wird im Laufe des Abends zunehmend aggressiv. Drinnen grölen sie derweil das Deutschlandlied. Allerdings ist nur wenig AfD-Fußvolk da, nur die Parteiprominenz findet sich ein.
Gauland: „Wir werden die künftige Regierung jagen“
Als Erster spricht Alexander Gauland. Der Brandenburger Politiker hat die AfD gemeinsam mit der jungen Politikerin Alice Weidel aus Baden-Württemberg in den Wahlkampf geführt, und er macht gleich klar, was künftig von der Partei zu erwarten ist. „Wir werden die künftige Bundesregierung jagen“, sagt er, und dass sich die AfD „unser Land und unser Volk zurückholen“ wolle.
Aber auch ein paar mahnende Worte richtet er an die neuen Abgeordneten, sich ihrer Verantwortung bewusst zu sein und ihre Worte sorgfältig zu wählen. „Bitte keine Sprüche, die uns später auf die Füße fallen.“
Alice Weidel ungewohnt gelöst
Auch als Alice Weidel gegen 19 Uhr erscheint, ist sie ungewohnt gelöst – und zurückhaltend. Man werde das Wahlergebnis mit Demut annehmen, sagt sie und verspricht „konstruktive Oppositionsarbeit“. Als erste Amtshandlung, das hat sie auch im Wahlkampf immer wieder angekündigt, will die AfD einen Untersuchungsausschuss gegen Angela Merkel initiieren, der sich mit deren „Rechtsbrüchen“ befassen soll. Und Weidel macht klar, dass Gauland und sie die neue Fraktion führen wollen.
Um Platz drei fand zuletzt ein erbitterter Kampf zwischen den Kleinen statt. Die AfD, die im Frühjahr noch eher schwach dastand, holte immer stärker auf. Sie hat mit einem aggressiven fremden- und islamfeindlichen Kurs Wahlkampf gemacht und Ängste in der Bevölkerung gezielt geschürt, nicht zuletzt in den sozialen Medien. Im neuen Bundestag werden jetzt weit mehr als 80 Abgeordnete sitzen, von denen einige so weit rechts stehen, dass sie nur als Rechtsextreme bezeichnet werden können.
Es gab aussichtsreiche Kandidaten auf den Landeslisten, die den „Schuldkult der Deutschen“ beenden wollen, die den Holocaust für einen „Mythos“ halten, die linke Gegendemonstranten als Produkt von Inzucht und Sodomie bezeichnen.
Dann kam die Flüchtlingskrise
2013 von einer Gruppe bürgerlich-rechtskonservativer Professoren gegründet, fand die AfD ihr erstes großes Thema in der Eurorettungspolitik der Bundesregierung und der Europäischen Union. Zwei Jahre später war die Partei aber so zerstritten, dass Mitgründer Bernd Lucke gestürzt wurde und ein Teil des wirtschaftsliberalen Flügels sich abspaltete.
Dann aber kam die sogenannte Flüchtlingskrise, die Politik der offenen Grenzen der Kanzlerin im Spätsommer 2015 bescherte der AfD ein neues großes Thema. Sie zog in ein Landesparlament nach dem anderen ein, oft mit zweistelligen Ergebnissen. Heute ist sie in 13 Landtagen vertreten, und das politische Klima hat sich verändert. Der Ton ist schärfer geworden, es wird gepöbelt und gehetzt, mit klassischer mühsamer Parlamentsarbeit tun sich die meisten AfD-Fraktionen hingegen schwer.
Partei vollzieht starken Rechtsruck
Die Partei hat in den vergangenen Monaten einen starken Rechtsruck vollzogen, sie politisiert immer häufiger mit dumpfen völkischen Parolen. Frauke Petry, neben Jörg Meuthen eine der beiden Bundesvorsitzenden, wollte das verhindern und die Partei auf dem Kölner Parteitag stärker realpolitisch ausrichten. Sie wurde gnadenlos demontiert.
Welche Rolle Petry, die als Direktkandidatin in Sachsen antrat, künftig spielen wird, ist offen. Die Entfremdung zu ihrer Partei ist so groß, dass sogar über eine neuerliche Abspaltung, ja einen Putsch spekuliert wird. Dass es in der AfD heftig brodelt, zeigt sich auch andernorts immer wieder. Mindestens fünf Abgeordnete wollen die Fraktion im Schweriner Landtag offenbar verlassen, weil sie mit dem völkisch-nationalistischen Kurs nicht einverstanden sind. Käme noch ein sechster dazu, wäre die AfD dort nicht mehr die Oppositionsführerin.
