Abtrünnige serbische Provinz Abtrünnige serbische Provinz: Kosovo marschiert in die Unabhängigkeit
Pristina/Belgrad/Brüssel/dpa. - Das Kosovo-Parlament nahm am Freitagin der Hauptstadt Pristina Gesetze an, die es ermöglichen, nach derUnabhängigkeitserklärung innerhalb von 24 Stunden auch eine«internationale Aufsicht» über das Kosovo zu beschließen.
Die Europäische Union will ungeachtet klarer Warnungen derinoffiziellen serbischen «Schutzmacht» Russland noch am Wochenendedie Entsendung von rund 1800 Polizisten und Juristen in das Kosovoendgültig beschließen. Dies sagten EU-Diplomaten in Brüssel. Serbienhatte in der Nacht zum Freitag bei einer Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates Sanktionen gegen das Kosovo für den Fall derUnabhängigkeitserklärung angekündigt. Außenminister Vuk Jeremicbetonte allerdings auch, sein Land werde keine Gewalt anwenden.Russland warnte, die Unabhängigkeitserklärung untergrabe die Chartader Vereinten Nationen.
Die Außenminister der 27 EU-Staaten befassen sich am Montag mitder neuen politischen Lage auf dem Balkan. EU-Diplomaten sagten,bisher sei wegen der großen Meinungsunterschiede innerhalb der EUnoch nicht sicher, dass es die angestrebte gemeinsame Erklärung zumKosovo wirklich geben werde. Zypern, Griechenland, Spanien, dieSlowakei und Rumänien dringen darauf, dass in einer solchen Erklärungnicht der Eindruck erweckt wird, als erkenne die EU das Kosovo an. Esmüsse deutlich bleiben, dass die völkerrechtliche Anerkennung eineEntscheidung sei, die von jedem Land einzeln getroffen werde.Diplomaten sagten aber, es sei nicht auszuschließen, dass einige EU-Staaten bereits am Montag die Anerkennung mitteilen.
Kosovo-Regierungschef Hashim Thaci äußerte sich am Freitag inPristina nicht zum Datum der Ausrufung der Unabhängigkeit. Zuvorhatte jedoch sein Sprecher laut der italienischen NachrichtenagenturAnsa mitgeteilt, das fast nur noch von Albanern bewohnte Kosovo wollesich am Sonntag um 1700 Uhr für unabhängig erklären.
Thaci hatte sich am Freitag überraschend mit dem Regierungschefdes benachbarten Mazedonien, Nikola Gruevski, getroffen. Dabei sei esum die Festlegung der umstrittenen Grenzlinie zwischen den beidenTerritorien gegangen, berichteten Medien. Fast gleichzeitig erklärteder pro-europäische serbische Präsident Boris Tadic bei seinerVereidigung in Belgrad, er halte an zwei Zielen fest: Dem Kampf gegendie Unabhängigkeit des Kosovos und für Serbiens Mitgliedschaft in derEU.
Das Kosovo-Parlament stimmte am Freitag einem Gesetz zu, dasGesetzesänderungen innerhalb von 24 Stunden ermöglicht. Damit sollendie Empfehlungen des früheren UN-Sonderbeauftragten Martti Ahtisaarinach der Unabhängigkeitserklärung rasch umgesetzt werden können.Diese Empfehlungen, die im UN-Sicherheitsrat von Russland perVetodrohung abgelehnt worden waren, sehen vor allem eine«internationale Aufsicht» über das Kosovo und eine weitgehendeAutonomie der kleinen noch im Kosovo verbliebenen serbischenMinderheit vor.
Mit diesen Gesetzen könnte auch eine Rechtsgrundlage für dieEntsendung der 1800 Personen starken Mission der EU geschaffenwerden. Zu dieser sogenannten «Rechtsstaatsmission» namens «Eulex»gehören etwa 1500 Polizisten, die auch exekutive Aufgaben wahrnehmensollen. Der «Operationsplan» der Mission - das letzte nach EU-Rechtnoch erforderliche Dokument vor dem Beginn der Entsendung der ersten«Eulex»-Mitglieder - wird nach Angaben von EU-Diplomatenvoraussichtlich noch an diesem Samstag in einem schriftlichenAbstimmungsverfahren offiziell beschlossen.
Außenminister Jeremic hatte in der Nacht zum Freitag vor dem UN-Sicherheitsrat in New York gesagt: «Die serbische Republik kann einensolchen illegalen Akt von Abspaltung nicht tolerieren.» Serbien werde«einer Verletzung seiner territorialen Integrität niemalstolerieren». Russlands UN-Botschafter Witali Tschurkin warnte erneutvor der Anerkennung eines unabhängigen Kosovos, enthielt sich aberkonkreter Drohungen.