1971 geboren 1971 geboren: Genau zur richtigen Zeit
Halle (Saale)/MZ. - Für mich ist die Mauer genau zur richtigen Zeit gefallen. Ich war 18, stand kurz vor dem Abitur, und diese Grenze war auf einmal weg! Und zur Armee musste ich auch nicht mehr. 1990 habe ich den Wehrdienst verweigert. Als ich einberufen werden sollte, musste ich vor denselben Leuten erscheinen, wie im März 1989 bei der Musterung. Aber jetzt konnte ich sagen, nein, ich will nicht mehr. 1990 war überhaupt mein Jahr, ich habe Abi gemacht und bin im Juli mit der ersten ostdeutschen Reisegruppe zum Schüleraustausch nach Südafrika geflogen. Damals herrschte dort noch die Apartheid. Und wir hatten gerade zwei Wochen die D-Mark.
Meine Eltern waren sehr liberal, als Kind zu Hause in Wittenberg durfte ich Westfernsehen schauen. Aber ich war kein Widerstandskämpfer, der demonstrieren ging, als ringsherum noch Stasi-Leute standen. Meine erste Demo war erst am 31. Oktober 1989 in Wittenberg. Drei Wochen vorher waren am 9. Oktober in Leipzig 70 000 Menschen auf die Straße gegangen. Und alle meine Freunde waren bereits bei der Armee, sie saßen in Leipzig auf NVA-Lastwagen, bereit zum Einsatz, und wussten nicht, was passieren würde. Da wurde mir erst klar, was für ein Glück ich hatte! Ich war ein Jahr später eingeschult worden als die anderen aus meinem Jahrgang. Das kam so: Mein Geburtstag ist der 6. Juni, der Stichtag für die Einschulung zum September war in der DDR aber immer der 31. Mai.
Eigentlich hatte ich Lehrer werden wollen für Geschichte und Sport, schließlich hatte ich damals aktiv Fußball gespielt. Aber Lehrer, kurz nach der Wende erschien mir das zu unsicher. Ich habe erst ein Jahr in Hannover gejobbt und dann ein Studium begonnen an der Fachhochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung in Mannheim. Danach habe ich als Arbeitsvermittler beim damaligen Arbeitsamt in Wittenberg angefangen. Mein oberster Chef hieß seinerzeit übrigens Reiner Haseloff.