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17.500 "Pegida"-Anhänger 17.500 "Pegida"-Anhänger: Anti-Islam-Bewegung wächst immer weiter

Von Markus Decker 22.12.2014, 21:26

Dresden - Der ältere Herr am Rande der Kundgebung hat eine klare Vorstellung von dem, was da zu seinen Füßen passiert. „Das ist ganz normales Volk aus den Vorstädten bis hinauf in die Sächsische Schweiz, das sich nicht mehr verarschen lässt“, sagt er . Da drüben hingegen auf der anderen Seite der Absperrung stehe „das Pack“ aus dem Dresdener Zentrum.

Auch für die Presse hat der Mann mit der Pelzmütze nur Verachtung übrig. Allesamt „Schreibsklaven“ seien dort beschäftigt, die das, was sie sähen, in vorgefertigte Muster pressten und Grund hätten, Angst zu haben – „Angst um sich“. Es klingt wie eine recht unverhohlene Drohung. Seinen Namen nennt der Rentner nicht.

Zum voraussichtlich letzten Mal in diesem Jahr hat „Pegida“ am Montag zur Demonstration in der sächsischen Hauptstadt gebeten – die vermeintlich Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes. 17 500 Frauen und Männer sind da, noch einmal 2500 mehr als beim letzten Mal – bei schätzungsweise 4.500 Gegendemonstranten. Der Platz vor der Dresdener Semperoper ist gut gefüllt, wenn auch nicht wirklich voll. Wer die Demonstranten sind, lässt sich nicht bis ins Letzte klären. Das, was sie tun, liegt hingegen offen zutage.

„Wir sind aus Spaß hier.“

Um die Bühne herum stehen überwiegend junge Männer, die man sonst auf rechtsextremistischen Demonstrationen sehen kann – kahlgeschoren und vom Solarium gebräunt. Sie halten Deutschland-Fahnen in den Händen. An der Peripherie überwiegen Menschen, die sich optisch weniger eindeutig zuordnen lassen. Junge Frauen mit Kinderwagen. Ältere Damen. Zeitgenossen in erkennbar schickeren Klamotten.

Die Teilnehmer zu fragen, was sie zum Herkommen bewogen hat, ist schwierig, da sie unentwegt, unterschiedslos und tausendfach „Lügenpresse!“ skandieren. Ein älteres Paar sagt im Vorbeigehen: „Wir sind aus Spaß hier.“ Dann geht es hämisch grinsend weiter. Ein junger Mann gibt zum Besten, man wolle „den Geist von 1989 wieder zum Leben erwecken“. Dabei fällt auf, dass die an der Peripherie nicht ganz so inbrünstig mitmachen wie die im Herzen des Geschehens. Manch einer wartet ab. Ein bisschen.

Recht eindeutig ist das Schauspiel, das hier gegeben wird. Denn die Feindbilder sind überschaubar und klar.

Demonstranten singen Weihnachtslieder

Da sind die Muslime, denen „Pegida“ einmal mehr den Kampf ansagt. So erinnert Organisator Lutz Bachmann an die 140 Kinder und Jugendlichen, die in Pakistan kürzlich Opfer der Taliban wurden – und bittet um 30 Gedenksekunden, die ihm sofort gewährt werden. Dazwischen zitiert er restriktive Aussagen des CSU-Vorsitzenden Horst Seehofer zu den Themen Zuwanderung und Integration – Aussagen, die Beifall auslösen. Zwischendurch singen die Demonstranten Weihnachtslieder: „Alle Jahre wieder“, „Stille Nacht, Heilige Nacht“ sowie „O du Fröhliche“. Das Kalkül ist offensichtlich: Das christliche Liedgut soll unweit der Frauenkirche gegen die vermeintlich islamische Bedrohung in Stellung gebracht werden.

An zweiter Stelle der Feindbilder rangieren die Medien. Das dritte Feindbild sind „die Politiker“. So hält eine Frau ein Plakat hoch, auf dem zu lesen ist: „89 ist zurück: Die Politikerkaste sollte sich warm anziehen.“ Stets aufs Neue rufen die „Pegida“-Anhänger den 89er Schlachtruf: „Wir sind das Volk.“ Auch hier klingt es bedrohlich. Von der Bühne wird derweil behauptet, ein großer Teil dieser Politiker habe ebenfalls Vorstrafen – so wie Pegida-Chef Lutz Bachmann bekanntlich Vorstrafen hat, eine ganze Menge sogar. Einmal entzog er sich der Bestrafung durch Flucht nach Südafrika.

„Denk ich an Deutschland in der Nacht ...“

Unterdessen sind die Reaktionen auf das, was da geschieht, unterschiedlich. Der aus Wiesbaden angereiste CDU-Bundestagsabgeordnete Klaus-Peter Willsch findet das alles „gar nicht so aggressiv – außer gegenüber den Medien“. Willsch zählt in der Union zu den härtesten Kritikern des Eurorettungskurses der Bundesregierung. Der Schriftsteller Peter Schneider und die Schriftstellerin Monika Maron kommen des Weges. Er habe sich „ein Bild machen können, was das für Leute sind“, sagt der 74-Jährige, der einst in der westdeutschen 68er Bewegung aktiv war. Ins Detail gehen will er  nicht, sondern vielleicht demnächst „mal was schreiben“. Schließlich ist da der Soziologe Karl-Siegbert Rehberg. „Ich sehe wenig bürgerliche Mitte“,  erklärt der Herr mit der Baskenmütze. Auffällig sei zudem, „wie die Radikalität versteckt wird“. Und erschreckend.

So ähnlich sehen das auch die vielen Gegendemonstranten jenseits der Polizeikette. Sie schauen misstrauisch auf alle, die sich aus der Pegida-Menge lösen und zu ihnen herüber kommen. Freilich singen sie keine Weihnachtslieder, sondern halten Transparente hoch. „Türen auf! Herzen auf! Augen auf!“, hat einer darauf geschrieben. Ein anderer zitiert den berühmtesten Vers des Dichters Heinrich Heine: „Denk ich an Deutschland in der Nacht, dann bin ich um den Schlaf gebracht.“