1. Mai 1. Mai: Schwere Krawalle bestimmten Auftakt in Berlin
Berlin/dpa. - Der 1. Mai in der Hauptstadt ist zum Auftaktvon den schwersten Ausschreitungen seit mehreren Jahren bestimmtworden. Schon in der Walpurgisnacht kam es in Berlin-Kreuzberg undPrenzlauer Berg zu Krawallen. Trotz des Ausbruchs der Gewalt setztedie Polizei zunächst weiter auf eine Strategie der Deeskalation.
Unterdessen wurde bereits vor den abendlichen Demonstrationenheftige Kritik an dem zurückhaltenden Einsatzkonzept der Polizei ausden eigenen Reihen laut. Am Abend sollte die Revolutionäre 1. Mai-Demonstration starten, bei der es immer wieder zu gewalttätigenAuseinandersetzungen gekommen war. In Berlin sind Krawalle rund umden 1. Mai seit 1987 zur unliebsamen Tradition geworden.
Nach den heftigen Ausschreitungen setze die Polizei weiter auf ihrDeeskalationskonzept, sagte Schutzpolizeichef Gernot Piestert derdpa. Jedoch stellten sich die Einsatzkräfte auf Auseinandersetzungenein. Schutzpolizeichef Piestert warnte vor der Demonstration amAbend: «Wenn es los geht, werden wir schnell sein und konsequent.»
In der Walpurgisnacht nahm die Polizei 34 Randalierer fest. Mehrals 80 Beamte wurden verletzt. Eine Frau erlitt durch einenFlaschenwurf schwere Verletzungen, ein Mann wurde mit Stichwundengefunden. Polizei und Demonstranten lieferten sich stundenlangeStraßenschlachten.
Die Polizeigewerkschaft im Deutschen Beamtenbund griffInnensenator Ehrhart Körting (SPD) scharf an. Der BundesvorsitzendeGerhard Vogler sagte der Hörfunkagentur dpa/Rufa, Körtings Strategiesei schon gescheitert, obwohl das Schlimmste noch bevorstehe. Körtingsei blauäugig und naiv, wenn er mit Deeskalation gegen Leute vorgehe,die seit 15 Jahren Randale wollten. «Was Körting hier gemacht hat,ist an Einfältigkeit nicht zu überbieten.»
Der Leiter des Einsatzes im Prenzlauer Berg, PolizeidirektorMichael Knape, sagte der dpa: «Die Deeskalationsstrategie der Polizeiist mit Füßen getreten worden.» Einer der Mitinitiatoren für einenpolizei- und gewaltfreien 1. Mai in Berlin, der UniversitätsprofessorPeter Grottian, sagte der dpa, die Polizei habe sich bisher um einen«moderaten, fast liberalen Einsatz» bemüht.
Augenzeugen berichteten, die Polizei habe sich in der Nacht langezurückgehalten. Piestert warf den Demonstranten menschenverachtendesVerhalten vor, weil Rettungskräfte beim Versuch, Verletzte zu bergen,mit Steinen und Flaschen beworfen worden seien.
Der Berliner CDU-Bundestagskandidat Volker Liepelt erklärte, diepolizeiliche Zurückhaltung sei als Einladung zur Gewalt aufgefasstworden. Er warf der PDS vor, jetzt zu Protesten gegen den Besuch desUS-Präsidenten George Bush in drei Wochen aufzurufen. Dies sei eineklammheimliche Einladung für Krawalltäter.
Am Mittwoch versammelten sich begleitet von einem massivenPolizeiaufgebot mit rund 1000 Beamten rund 800 Anhänger derrechtsextremistischen NPD am östlichen Stadtrand in Berlin-Hohenschönhausen. Die Polizei drängte rund 400 Gegendemonstranten vondem Aufzug ab. Dabei kam es zu Handgreiflichkeiten und Sitzblockaden.Auch die Bundesvorsitzende der Grünen, Claudia Roth, kam zu derProtestaktion gegen die NPD.
Bei der traditionellen Mai-Demonstration des DeutschenGewerkschaftsbundes versammelten sich laut Polizei 5000 Menschenunter dem Motto «Globalisierung gerecht gestalten». Am Nachmittagkamen mehrere hundert Menschen zu weiteren Kundgebungen in der Stadtzusammen.
In der Walpurgisnacht hatten am Oranienplatz in Kreuzberg rund 200Jugendliche, die an dem Fest der «Antifaschistischen Aktion» mit 7000Menschen teilgenommen hatten, einen Supermarkt geplündert. Es kam zuRangeleien, die Randalierer warfen Steine und Feuerwerkskörper aufdie Beamten. Im Mauerpark im Stadtteil Prenzlauer Berg, in dem sichzuvor 10 000 Menschen friedlich versammelt hatten, war die Polizeimit Wasserwerfern und Tränengas im Einsatz.