Plauener Spitzen Plauener Spitzen: Ratternde Maschinen statt Klöppelkissen

Plauen/dpa. - Die filigrane Kostbarkeit beginnt ihren Weg in die Welt auf dröhnenden Maschinen. Stich für Stich bohren sich Nadeln tausendfach in den weißen Stoff und lassen kleine Blüten und Ranken entstehen. Die Augen von Cornelia Beczkowski wandern über die riesigen Stoffbahnen, damit ihre flinken Hände eingreifen können, wenn mal ein Faden reißt.
Wer im sächsischen Vogtland - dem Zipfel zwischen Sachsen, Thüringen und Bayern - nach Plauener Spitze fragt, wird vergebens nach einem Klöppelkissen suchen. Es ist eine zählebige Klischeevorstellung, dass das weltbekannte Produkt in Handarbeit entsteht. Auch der Chef der Firma C. R. Wittmann Nachfolger in Brockau bei Plauen, Arnfried Dietz, muss den Kopf schütteln. Nein, hier gibt es keine alten Frauen, die sich bei Kerzenlicht über das Klöppelkissen beugen. "Plauener Spitze - das war und das ist zunächst technischer Fortschritt", sagt der Manager.
Das ist spätestens seit 1881 so. Damals war es dem Kaufmann Theodor Bickel gelungen, maschinengestickte Tüllspitze herzustellen. Die technologische Weltneuheit wurde bald als Plauener Spitze bekannt. Noch heute wird in Plauen gern auf den 18. August 1900 verwiesen, als die feinen Spitzen aus dem Vogtland auf der Weltausstellung in Paris mit dem Grand Prix ausgezeichnet wurden. Dietz ist wie viele seiner Kollegen zwar kein Neueinsteiger in der Branche, trotz seines Alters aber noch ein Jungunternehmer. Der quirlige Mann, der behauptet, jede Stickmaschine in der ehemaligen DDR zu kennen, ist Stickmeister in der dritten Generation und seit 1978 im Betrieb. Als sich mit der Wende die Alteigentümer meldeten und sich nicht mit der Treuhand über die Reprivatisierung einigen konnten, besorgte sich der damals 48-Jährige einen Gewerbeschein, um den Betrieb für die Alteigentümer weiterzuführen.
Z-TITEL: "Plauener Spitze - das war und das ist zunächst technischer Fortschritt".
Arnfried Dietz
Firmenchef
Mittlerweile ist die Umstrukturierung der Branche beendet, die Spitze hat ihren Platz behauptet. Das Zentrum der deutschen Stickereiindustrie gibt in 120 Unternehmen 1200 Menschen Arbeit. Mehr als ein Viertel der Erzeugnisse geht ins Ausland. Der Kauf der beiden Großstickereimaschinen bei Wittmann hat sich ausgezahlt. Der 50Mitarbeiter zählende Betrieb läuft rund, wie Dietz sagt. Bei gut 1800 Fach- und Einzelhändlern hängen bis zu 57 Musterschals. Doch die schlechte Konjunktur bekommt auch die sächsische Textilindustrie zu spüren. "Plauener Spitze ist ein Luxusprodukt", sagt der Geschäftsführer des Branchenverbandes Jürgen Fritzlar. Neue Wege der Vermarktung sind gefragt. Beispiel dafür könnte ein Konzept sein, das der Verband zusammen mit dem Tourismusverband entwickelt hat. Touristen können sich in Betrieben auf einer "Spitzentour" umsehen und mit eigenen Augen verfolgen, wie die textilen Kostbarkeiten entstehen. Plauener Spitze ist seit den 80er Jahren eine international und national geschützte Marke, die nur Unternehmen aus der Region verwenden dürfen. Derzeit haben rund 20 Betriebe aus dem Vogtland die Lizenz vom Branchenverband. Trotzdem gibt es zunehmend Schwierigkeiten mit Textilien aus anderen Ländern, denen fälschlicherweise das Etikett Plauener Spitze aufgeklebt wird. "Das Problem ist der Musterschutz", sagt Fritzlar. Bei schätzungsweise jährlich 17000 neuen Mustern aus dem Vogtland ist es schwierig, die schwarzen Schafe aus dem Ausland zu finden. Etwas Abhilfe soll ein Etikett schaffen, das von Januar an von allen Lizenznehmern genutzt wird.