Pharmaindustrie Pharmaindustrie: Ratiopharm soll verkauft werden

Ulm/Blaubeuren/dpa. - Merckle hatte diesesSzenario klar vor Augen: Die entscheidenden Verträge unterschrieb erselbst noch kurz vor seinem Tod, die Folgen erleben wollte er abernicht mehr. Der 74-Jährige hatte es nicht verkraftet, die Kontrolleüber sein Firmenimperium zu verlieren.
Am Mittwoch besiegelten die rund 30 Gläubigerbanken und MercklesVermögensverwaltung VEM die Zerschlagung des Firmengeflechts. DieBanken gewähren der in Finanznot geratenen VEM zwar den dringendbenötigten Überbrückungskredit von rund 400 Millionen Euro. Doch derPreis dafür ist hoch: Ausgerechnet der Ulmer Generika-Herstellerratiopharm, den Merckle selbst aufgebaut hat und an dem erleidenschaftlich hing, soll verkauft werden. Gleichzeitig drängen dieBanken die Familie Merckle aus der Gruppe. Sohn Ludwig Merckleverkündete, dass er seine Tätigkeit als VEM-Geschäftsführer nichtfortführen werde.
Genau das wollte der Milliardär offensichtlich nicht mehrmiterleben. Zwar stellte er mit seinen letzten Unterschriften nochdie Weichen für die Sanierung der Gruppe und bewahrte diese mit denrund 100 000 Mitarbeitern vor der Zahlungsunfähigkeit. Aber seinMotto «Mir ist fremd, etwas aufzugeben» konnte er nicht mehrerfüllen.
Schon seit Monaten wurde über den Verkauf von ratiopharmspekuliert. Mit einem Umsatz von etwa 1,8 Milliarden Euro im Jahr2007 könnte das Unternehmen mit 5400 Mitarbeitern einen Erlös vondrei bis fünf Milliarden Euro einbringen. Aber einen überhastetenVerkauf in der Wirtschaftskrise wollte Merckle unbedingt verhindern:Die drei bis fünf Milliarden Euro wären derzeit nach Überzeugungvieler Analysten kaum zu erreichen.
Auch nachdem VEM am Mittwoch den baldigen Verkauf angekündigthatte, blieben die Analysten vorsichtig. Es sei eher kein guterZeitpunkt zu verkaufen, sagte Carsten Kunold, Pharma-Analyst beiMerck Finck. «Die Generika-Märkte sind eher schwierig, vor allem inDeutschland.» Es herrsche ein ziemlicher Preisdruck. Allgemein seiendie Bewertungen nicht mehr so hoch wie sie einmal waren.
Für den Münchner UniCredit-Analysten Jochen Schlachter kommt derVerkauf dennoch nicht überraschend. Der Markt habe schon langedarüber spekuliert. «Das ist jetzt nur die offizielle Bestätigung derVEM, dass der Verkauf vorangetrieben wird», sagt er. Das werde denMarkt jedoch nicht weiter beeinflussen. Zumal ratiopharm nicht an derBörse gehandelt werde und relativ konjunkturresistent sei. Trotzallem sind auch seiner Meinung nach die Bewertungen für ratiopharmnicht mehr so hoch.
Merckles Gläubigerbanken bestehen trotzdem auf ihrer Forderung.«Der Verkaufsprozess wird voraussichtlich mehrere Monate in Anspruchnehmen», teilte ratiopharm mit. VEM und die Banken werden nun einenTreuhänder bestimmen, der gemeinsam mit der ratiopharm-Geschäftsführung den Verkauf organisiert.
Mit dem Erlös sollen Finanzlücken in der Gruppe gestopft werden,vor allem bei HeidelbergCement. Anschließend soll ein langfristigerSanierungsplan für die Unternehmen der gesamten Merckle-Gruppeerstellt werden. Dieser soll eine Laufzeit von bis zu eineinhalbJahren haben und einen umfassenderen Kredit beinhalten. Für die100 000 Mitarbeiter der Gruppe ginge dann eine lange Zeit derUngewissheit zu Ende.