Pharma-Unternehmen Pharma-Unternehmen: In Osterburg wird europäische Arznei umgepackt

Osterburg/dpa. - Rund 250 Frauen sind damit beschäftigt, Medikamentenschachteln aus-und umzupacken. Mehr als 2000 verschiedene Sorten von Pillen, Tropfenund Salben passieren die langen Tische, wo sie klassifiziert, nachstrengen Vorschriften neu etikettiert und mit deutschenBeipackzetteln bestückt werden.
Das Potenzmittel Viagra ist darunter, der Faltenkiller Botox, derCholestrin-Fresser Zocor und die gesamte Palette von Herz-Kreislaufmitteln - alle als patentgeschützte, zugelasseneMarkenartikel für unterschiedliche europäische Märkte zuunterschiedlichen Preisen hergestellt.
Hintergrund der Umpackaktion ist die fortschreitendeKostenexplosion im deutschen Gesundheitswesen. «Wir nutzen dieregionalen Preisunterschiede in Europa, um Original-Präparate imAusland einzukaufen und in Deutschland über den Großhandel mit zumTeil erheblichen Preisvorteilen an Apotheken zu verkaufen», erklärtGeschäftsführer Jörg Tessmer die komplizierte Materie. Schwierigdeshalb, weil die so genannten Re-Importfirmen zahlreicheGesetzeshürden überwinden müssen. Sie reichen von vorgeschriebenenRabatten an die Krankenkassen bis hin zu festgelegten Abgabepreisenan die Apotheker.
Gängige Medikamente, beispielsweise Aspirin, sind im Ausland aufGrund anderer Sozialgesetze und unterschiedlicher Abmachungen mit denKrankenkassen bis zu 70 Prozent billiger als in der Heimat. «DieEMRA-MED-Einkäufer kennen sich exzellent mit der Preisgestaltung dereinzelnen Länder aus, vergleichen die Preise überall in derEuropäischen Union und schließen dann Verträge mit den dortigenPharmagroßhändlern», sagt Tessmer. Geliefert wird aus fast allen EU-Ländern direkt nach Osterburg - 60 Tonnen Medikamente am Tag.
Obwohl der Import nach Deutschland stark reguliert ist und daseingeführte Medikament mindestens 15 Prozent preiswerter sein mussals das Original, hat sich die Geschäftsidee von EMRA-MED bislangausgezahlt. Der Apotheker gibt den Preisvorteil der importiertenMarken-Arzneimittel direkt an den Kunden weiter.
«Natürlich lassen sich die Pharmariesen viel einfallen, um unserGeschäft zu torpedieren», betont Tessmer. Die «Störmanöver» reichtenvon angeblichen Lieferengpässen großer Hersteller in bestimmte«Billigländer» bis hin zu Einflussnahmen der Pharma-Lobby auf diedeutsche Gesetzgebung.
Beispiel 2004: Nach der ersten großen Gesundheitsreform rutschteder EMRA-MED-Umsatz wegen vorgeschriebener Rabatte an die Kassen von16 Prozent mit 99 Millionen Euro auf ein Rekordtief (2003: 220Millionen). 176 Mitarbeiter am Hauptsitz des Unternehmens in Trittaubei Hamburg wurden entlassen. Seitdem produziert das Unternehmen nurnoch in Osterburg. «Mit viel Flexibilität, einem teilweise neuenSortiment und Korrekturen des Gesetzgebers haben wir überlebt», sagteTessmer. Für 2006 zeichnet sich ein Umsatz von 350 Millionen Euro ab.
Doch schon gibt es die nächste Gesundheitsreform. MitUnverständnis reagiert Tessmer auf die jüngsten Pläne derBundesregierung. Sie zwingen die Apotheken, 500 Millionen Euroalleine 2007 einzusparen. Schon jetzt sieht er kommen, dass ein Teilseines teureren Sortiments wegen des Preisdrucks wegfallen wird.«Zittern können wir schon gar nicht mehr, nur noch die aktuelleGesundheitsreform genauestens studieren.»