Pädagogik Pädagogik: Bilinguale Lehrer

Halle (Saale)/MZ. - Englisch im Kindergarten - chinesisch für Grundschüler. Fremdsprachenkenntnisse gelten zunehmend als wichtiger Teil einer guten Ausbildung. Das Thema ist auch an den Gymnasien Sachsen-Anhalts angekommen. Knapp ein Viertel der rund 80 Gymnasien im Land hat nach Erkenntnissen des Zentrums für Lehrerbildung bilinguale Angebote im Lehrplan. Dabei werden Fächer wie Geschichte oder Erdkunde in einer Fremdsprache unterrichtet, in den meisten Fällen auf Englisch.
In Schulen, die eine internationale Ausbildung zu ihrem Konzept zählen, zum Beispiel die Europaschulen, ist der Fachunterricht in einer Fremdsprache schon gang und gäbe. An der Universität Halle soll ein Pilotprojekt des Zentrums für Lehrerbildung diese Unterrichtsform im Land weiter fördern. "Wir wollen den bilingualen Sachfach-Unterricht an die Regelschulen Sachsen-Anhalts bringen", sagt Eva Leitzke-Ungerer.
Die Professorin für Didaktik der romanischen Sprache koordiniert ein Pilotprojekt, das sich an Lehramtsstudenten richtet, die eine Fremdsprache und ein Sachfach studieren. Am Zentrum für Lehrerbildung der Universität Halle wurde dazu ein entsprechender Zertifikatskurs entwickelt. Im vergangenen Sommersemester startet der erste Durchgang mit den Fremdsprachen Englisch und Französisch. In diesem Jahr kommen die Sprachen Spanisch und Russisch dazu. Zwei Semester dauert der Kurs. Er besteht aus einer Vorlesung und einem sachfachbezogenen Sprachkurs im ersten Semester sowie zwei Seminaren im zweiten Semester. Die Teilnehmer sollen unter anderem lernen, wie man den Schülern über die Hürde Fremdsprache hilft. Denn im Fachunterricht, etwa Erdkunde, werden relativ komplexe Inhalte vermittelt.
Es gehe darum, die Didaktik des Fremdsprachenunterrichts mit der eines Sachfachs zu verbinden, sagt Leitzke-Ungerer. "Bilingualer Unterricht ist weder Sachunterricht, der zufällig in einer Fremdsprache unterrichtet wird, noch Fremdsprachenunterricht, der zufällig Sachthemen behandelt", sagt die Didaktik-Professorin. Damit die Schüler sich aber auch Fachthemen in einer Fremdsprache aneignen können, müssen sie Hilfstechniken beherrschen, erklärt Leitzke-Ungerer. Lesetechniken für Fachtexte und Schreibtechniken, etwa für das Zusammenfassen, Analysieren und Kommentieren von Texten sind deshalb Inhalte des Zertifikatskurses. Wichtig sei auch, so Didaktikerin Leitzke-Ungerer, dass das Vokabular nicht als Wörterlisten präsentiert, sondern anschaulich anhand von Beispielen und mit Grafiken eingeführt werde.
"Das Niveau des Sachfachunterrichts soll nicht leiden", gibt die Professorin als Ziel aus. Hier liege aber auch der häufigste Kritikpunkt an bilingualem Unterricht. In einer Fremdsprache unterrichtet, erhalten die Klassen eine Schulstunde pro Woche mehr für das jeweilige Fach, sei es Biologie, Geschichte oder Erdkunde. Das aber sei eigentlich zu wenig, räumt auch Leitzke-Ungerer ein. Viel hänge also davon ab, wie viel eigenes Engagement die Schüler für Fach und Sprache aufbringen.
Möglichen Nachteilen stehen aber auch eindeutige Vorteile des bilingualen Fachunterrichts gegenüber, meint die Didaktik-Professorin. So werde der Fremdsprachenunterricht deutlich attraktiver für die Schüler, wenn er Sachinhalte habe. Auch sei es zunehmend wichtig, über aktuelle Themen wie Gentechnik oder geschichtliche Themen wie die Nazidiktatur in Fremdsprachen kommunizieren zu können. In den Lehrwerken werde häufig auch die Perspektive englischer oder französischer Muttersprachler thematisiert. "Ein wichtiges Ziel des bilingualen Unterrichts ist das interkulturelle Lernen", sagt Leitzke-Ungerer.
Es gebe mehrere Modelle, wie der bilinguale Sachunterricht im Lehrplan aufgenommen wird, sagt die Professorin. So könne ein Fach zum Beispiel ein ganzes Schuljahr lang in einer Fremdsprache unterrichtet werden. Eine andere Möglichkeit ist es, den bilingualen Unterricht auf einen Themenabschnitt während eines Schuljahrs zu begrenzen.
Der Zertifikatskurs "Bilingualer Sachfachunterricht" stoße auf großes Interesse, sagt Thomas Bremer, Direktor des Zentrums für Lehrerbildung. Der erste Jahrgang, der 2012 startet, war mit 30 Teilnehmern ausgebucht. Auch für den zweiten Durchgang gebe es schon zahlreiche Interessenten. Deshalb hoffe man, dass das Angebot auch nach der derzeit laufenden Pilotphase aufrechterhalten werden kann. Wenn dies gelingen sollte, so Bremer, könne der Kurs mittelfristig auch als Weiterbildung für Lehrer angeboten werden.
Mehr unter: www.bili.uni-halle.de