Optische Industrie Optische Industrie: Jede zweite Fielmann-Brille kommt aus Rathenow

Rathenow/dpa. - Jede zweite Fielmann-Brille, die im vergangenen Jahr verkauft wurde, kommt aus Rathenow. Die Wiege der deutschen Optik-Industrie steht im Havelland, am äußersten Westrand Brandenburgs. Welche Früchte der Aufbau Ost in dieser ansonsten ziemlich gottverlassenen Gegend getragen hat, wollte Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) dieser Tage mit einer Visite bei Deutschlands größtem Brillen-Produzenten vorführen.
Die 29 000-Einwohner-Stadt gehört zu den Vorzeigeprojekten im Land: Dort wurde die mehr als 200-jährige Tradition der optischen Industrie erfolgreich wiederbelebt. An ihrem Rand entstand in den vergangenen Jahren ein moderner Gewerbepark, in dem sich zahlreiche Unternehmen ansiedelten, großzügig unterstützt mit Mitteln der Landesregierung.
Die Zahl der Beschäftigten schrumpfte nach der Wende von 5000 auf 250. Heute sind in Rathenow wieder 1200 Menschen in der Optik-Branche beschäftigt. Für den Aufschwung sorgte vor allem die Ansiedlung von Marktführer Fielmann. Vor zwei Jahren errichtete er hier auf 23 000 Quadratmetern Fläche Europas modernste Brillen-Produktion mit Schleiferei, Montage, Lager und Versand. Investitionsvolumen: 32 Millionen Euro.
In dem hochmodernen Werksgebäude arbeiten 683 Menschen - vom Optiker bis zum Produktionshelfer; langfristig sollen es 1000 werden. Trotzdem liegt in Rathenow die Arbeitslosenquote immer noch über 20 Prozent.
1801 meldete Johann Heinrich August Duncker eine Vielschleifmaschine zum Patent an und begründete damit die Serienproduktion von Brillengläsern. Bis zum Zweiten Weltkrieg behielt Rathenow seine zentrale Bedeutung; neben Brillengläsern wurden in den Werkstätten auch Ferngläser und Mikroskope gefertigt. In der DDR waren die Rathenower Optischen Werke (ROW) mit 5000 Beschäftigten der landesweit größte Betrieb der Branche.
Doch nicht nur Fielmann sorgt dafür, dass Rathenow sich inzwischen auf seinem Spezialgebiet wieder weltweit einen Namen gemacht hat. Im Technologie und Gründerzentrum Havelland - wenige Autominuten vom Fielmann-Werk entfernt - schreiben kleine und mittelständische Unternehmen ebenfalls Erfolgsgeschichten.
Zum Beispiel die Firma Optotec, einer der beiden größten Anbieter für Optikerwerkzeuge in Deutschland. 22 Mitarbeiter bauen Werkzeuge und Geräte für Augenoptiker. Das Unternehmen exportiert weltweit in 24 Länder und hat eine eigene Produktionsentwicklung. Geschäftsführer Joachim Mertens will den Umsatz in diesem Jahr um 20 Prozent auf 2,2 Millionen Euro steigern.
Auch die Askania Mikroskop Technik knüpft an die ruhmreiche Vergangenheit an. Kunden sind laut Geschäftsführer Ralf-Peter Lautenschläger Bienenzüchter, die Kosmetikindustrie, Landeskriminalämter oder auch der Autohersteller Ferrari. Die Wettbewerbsfähigkeit des zwölf Mitarbeiter zählenden Unternehmens macht laut Lautenschläger neben der guten «Qualität» vor allem die Flexibilität aus. «Wir können innerhalb von 14 Tagen liefern». Oft habe man einen Auftrag nur bekommen, weil der frühe Liefertermin entscheidend war.
Firmen wie Optotec gehören dem «Kompetenzzentrum Optik Rathenow» an. Dahinter verbirgt sich ein Netzwerk kleiner und mittelständischer Betriebe. «Bei uns bekommt ein Augenoptiker alles, was er braucht», unterstreicht der Vorsitzende Peter Poschmann. Die Firmen bieten die gesamte Wertschöpfungskette - von Brillengestell und Gläserproduktion über Werkstatttechnik bis zur Ausbildung - alles an einem Standort.
Gerade solche Netzwerke seien es, die Brandenburgs Firmen brauchen, meint Regierungschef Platzeck. Gerade im Hinblick auf die EU-Osterweiterung sowie einen weltweiten Export hätten kleine und mittelständische Firmen nur Chancen, wenn sie ihre Kräfte bündeln und wissenschaftliches Know-how der Fachhochschulen nutzen. In Rathenow sei das erkannt worden. Doch auch Branchen-Primus Fielmann weiß das Kompetenzzentrum zu schätzen. Die im Netzwerk-Verbund ausgebildeten Fachkräfte werden später gern im Unternehmen eingestellt.