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Olympia 2008 in Peking Olympia 2008 in Peking: «Reise der Harmonie» wird unharmonisch

Von Andreas Landwehr 24.03.2008, 20:45

Peking/dpa. - Dass die Flamme erstmals auf den höchsten Berg der Welt, den 8848 hohen Mount Everest, gebracht werden soll, erzürnt die Tibeter ebenfalls, da dies als Bestätigung der chinesischen Fremdherrschaft über das größte Hochland der Erde gewertet wird. Um Chinas Machtanspruch geht es auch im Konflikt mit Taiwan. Dort wird die Fackel nicht hingetragen. Die demokratischen Taiwanesen wollten nicht darauf verzichten, ihre Flagge zu hissen und ihre Nationalhymne zu spielen - ein Affront für Pekings kommunistische Führer, die die Inselrepublik als abtrünnige Provinz ansehen.

«Entzünde die Leidenschaft, teile den Traum», heißt der chinesische Slogan für den Fackellauf, der durch die Empörung der Kritiker und die Ausgrenzung der Taiwanesen ebenso doppeldeutig wie widersprüchlich klingt. Die kontroverse Reise beginnt an diesem Ostermontag im antiken Olympia in Griechenland, wenn das Feuer mit Hilfe eines Hohlspiegels entfacht wird. «Apollon! Oh, Gott der Sonne, sende Deine Strahlen und wärme unsere Herzen», wird die «Hohe Priesterin», gespielt von der griechischen Schauspielerin Maria Nafpliotou, ausrufen - ein Appell, der angesichts der Debatten um den Fackellauf oder gar einen Boykott der Olympischen Spiele im Sommer in Peking eher wie ein verzweifelter Aufruf zur Versöhnung wirkt.

Nach einem Staffellauf durch Griechenland wird das Feuer am 30. März im marmornen Panathinaikon Stadion in Athen, dem ersten Austragungsort der Olympischen Spiele der Neuzeit 1896, den chinesischen Organisatoren übergeben. Zur Entzündung des Feuers wird eigens der Parteichef von Peking, Liu Qi, anreisen. Das mächtige Politbüromitglied sitzt zugleich dem chinesischen Organisationskomitee (BOCOG) vor.

Mit 21 000 Läufern und einer Strecke von 97 000 Kilometern um die Welt und 40 000 Kilometern innerhalb Chinas schlägt der Fackellauf alle Rekorde. Doch nur drei Prozent des Weges wird die Flamme tatsächlich von Läufern getragen, sonst fliegt das Feuer eigentlich um die Welt - in einem Airbus der Fluggesellschaft Air China.

An dem längsten Fackellauf in der olympischen Geschichte nehmen in 21 Städten außerhalb Chinas 2000 Läufer teil. Täglich tragen 80 Läufer die Flamme über jeweils 250 Meter. Im Milliardenreich China sind mit 19 000 Läufern knapp zehnmal so viele dabei. Jeden Tag laufen 208 Teilnehmer mit dem Feuer über jeweils 200 Meter. Als Fackelläufer sind Sportler, Vertreter aller ethnischen Gruppen, vorbildliche Arbeiter, Unternehmer, Wissenschaftler und andere verdiente Persönlichkeiten ausgesucht - sogar 250 in China arbeitende Ausländer.

Höhepunkt des Laufes soll die Besteigung des Mount Everest werden. Aus Angst vor Protesten exiltibetischer Aktivisten wurde der Aufstieg bereits jetzt für Bergtouren von tibetischer Seite gesperrt. Für die Reise auf den höchsten Berg der Erde wird das Feuer nach der Ankunft am 31. März in Peking geteilt. Während die eine Fackel durch 31 Provinzen getragen wird, fliegt die andere nach Tibet. Ein Bergsteigerteam soll das Feuer dann an einem Maitag mit gutem Wetter in einer windsicheren Spezialfackel auf den Gipfel tragen - während die Welt am Fernseher live dabei ist. Nach dem Abstieg wird das Feuer wieder mit der anderen Flamme vereint. Sie soll am 20. Juni in der tibetischen Hauptstadt Lhasa eintreffen.

Den Fackellauf durch die tibetische Unruheregion sieht das Organisationskomitee auch nach den blutigen Protesten nicht gefährdet. «Die Behörden in Tibet werden einen reibungslosen Ablauf des Fackellaufes sicherstellen», sagte der BOCOG-Vizechef Jiang Xiaoyu. Die geplanten Demonstrationen entlang des Weges in vielen Städten der Welt verurteilte er als «eine Bedrohung der Menschen weltweit in der Olympischen Bewegung.» Das chinesische Volk sei begeistert, wolle in Peking Spiele ausrichten, die in die olympische Geschichte eingehen. «Damit werden sie die Herzen der Menschen nicht gewinnen», sagte Xiaoyu zu den geplanten Protesten.

Tibetische Exilgruppen halten dem BOCOG-Vizechef entgegen, dass der Sport laut Olympischer Charta «der harmonischen Entwicklung der Menschheit dienen» und «eine friedliche Gesellschaft» fördern soll - wovon in China wenig zu spüren sei. «Angesichts der gegenwärtigen Krise in Tibet wird der Fackellauf die Spannungen entweder gefährlich verschärfen oder das Internationale Olympische Komitee (IOC) zum Komplizen der chinesischen Unterdrückung der Tibeter machen, indem China eine erfolgreiche Propagandaaktion ermöglicht wird», appellierte Freya Putt vom Internationalen Netzwerk der Tibet-Unterstützergruppen an das IOC. «Um das Ansehen der Olympischen Fackel zu retten, muss sich das IOC umgehend von der gebilligten Route des olympischen Fackellaufes durch Tibet zurückziehen.»