Offener Machtkampf bei Porsche/VW
Stuttgart/Wolfsburg/dpa. - Die offene Machtfrage im Autoimperium aus Volkswagen und Porsche liefert neuen Zündstoff für Konflikte. «Es ist keine Hochzeit im Himmel, sondern eine Vernunftehe», sagte Porsche-Chef Wendelin Wiedeking vor rund 3000 Beschäftigten im Stammwerk Stuttgart-Zuffenhausen.
Die Hauptakteure im neuen Akt des Dramas um die Zukunft des Riesenkonzerns bringen sich bereits in Stellung. Noch ist völlig offen, wer künftig am Steuer sitzt und ob die Machtzentrale künftig Stuttgart oder Wolfsburg heißt.
Der VW-Großaktionär Niedersachsen und die Vertreter der Arbeitnehmerseite beider Unternehmen betonten, dass sie beim Aufbau des neuen Konzerns ein gewichtiges Wort mitreden wollen. Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) kündigte an, Niedersachsen wolle auch künftig seine starke Stellung bei VW behalten. «Volkswagen ist mit der Beteiligung Niedersachsens stets gut gefahren und deshalb gibt es keinen Grund, daran etwas zu ändern», sagte der Ministerpräsident der dpa.
Er hoffe im Zuge der Gespräche auch auf eine Lösung im Streit um die Rolle des Landes. Niedersachsen ist mit rund 20 Prozent zweitgrößter Aktionär bei dem Wolfsburger Autobauer und hält nach VW- Gesetz und -satzung damit eine Sperrminorität. Diese Regelung, zwei Aufsichtsratssitze für das Land und die Klausel einer Zwei-Drittel- Mehrheit im Aufsichtsrat bei Standortverlagerungen seien für ihn die wesentlichen drei Punkte «die streitfrei gestellt werden könnten», sagte der Regierungschef. Für ihn seien sie «das Fundament».
Der VW-Betriebsratsvorsitzende Bernd Osterloh sagte: «Wer immer etwas von Volkswagen will, der kommt an den Belegschaften nicht vorbei.» Er betonte: «Mit uns ist besprochen, dass der Weg zu einem integrierten Konzern völlig offen ist. Eine Fusion ist dabei nur ein Weg.»
Porsche-Betriebsratschef Uwe Hück kündigte nach dpa-Informationen auf einer Betriebsversammlung an, weiter für die Position der gut 12 000 Beschäftigten des Sportwagenbauers in dem neuen Großkonzern zu kämpfen. Außerdem macht er sich dafür stark, das VW-Gesetz auf Porsche auszudehnen. Hück suchte den Schulterschluss mit Osterloh: «Wir werden gemeinsam einen Weg gehen.»
Auch die IG Metall pocht auf den vollständigen Erhalt der Mitbestimmung und des VW-Gesetzes. IG-Metall-Chef Berthold Huber sagte in Wolfsburg, für die Gewerkschaft sei der Erhalt des VW- Gesetzes substanziell. «Darunter wird es mit uns keine Lösung geben.»
Am Mittwoch hatten die Porsche-Eigentümerfamilien beschlossen, VW und Porsche unter dem Dach eines neuen Konzerns zusammenzuführen. Innerhalb von vier Wochen soll die Struktur ausgehandelt werden. Es blieb zunächst unklar, wer in dem neuen Konzern das Sagen haben wird. Fest stehe aber, dass die Familien Porsche und Piëch auch künftig die Mehrheit haben werden, hieß es in Stuttgart. Der ursprüngliche Plan, dass Porsche VW übernimmt, ist aber endgültig vom Tisch. Porsche hält derzeit knapp 51 Prozent an VW und strebte die Marke von 75 Prozent an - hatte sich jedoch bei Aktienkäufen mit Milliardenschulden finanziell übernommen.
Porsche peile noch in diesem Jahr eine Kapitalerhöhung an, hieß es in Stuttgart. Mit einer Geldspritze von bis zu fünf Milliarden Euro sollten die Schulden abgebaut werden. Geld zuschießen sollen die Stamm- und die Vorzugsaktionäre. Ein Einstieg neuer Investoren sei dagegen vorerst nicht vorgesehen. Dies könne aber möglicherweise noch zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen, hieß es.
Nach Einschätzung des Autoexperten Ferdinand Dudenhöffer kehrt nun wieder mehr Ruhe bei den beiden Herstellern ein. Alle Beteiligten müssten nun lernen, in Koalitionen auf Augenhöhe zu arbeiten. «Einen König gibt es in dieser Gruppe nicht mehr» - auch wenn sich die Macht nun wieder etwas zu VW nach Wolfsburg verschoben habe, sagte Dudenhöffer der dpa. Der Autoexperte Willi Diez sagte im «ZDF- Morgenmagazin», derzeit spreche vieles für Wolfsburg als Firmensitz. Das bereits seit mehreren Jahren andauernde Zusammenrücken von Porsche und VW wurde von vielen Konflikten begleitet.