Folgen von Social Media Natur im Fokus - Wenn Fotos Tiere stören
Ein niedliches Murmeltier, klick. Eine hübsche Blume, klick. Die Natur hat viele tolle Motive zu bieten. Doch manche Menschen schießen für Fotos davon übers Ziel hinaus.

Hilpoltstein - Sie lauern Birkhühnern bei der Balz auf, laufen für ein Foto von einer hübschen Orchidee quer durch empfindliche Biotope oder lassen Drohnen über Storchennestern kreisen. Wenn es um Aufnahmen von Tieren oder Pflanzen geht, missachten manche Menschen den Naturschutz. Meist sind es Einzelfälle. Doch sie können fatale Folgen haben, wie Fachleute warnen. Naturschutzgebiete ziehen bereits Konsequenzen.
Das Smartphone ist immer dabei. Für viele Menschen ist es selbstverständlich, jedes Erlebnis fotografisch zu dokumentieren und mit anderen zu teilen. Die Natur wird dabei mal zur Kulisse, mal rückt sie als Motiv in den Mittelpunkt. Besonders beliebt: Tiere. „Grundsätzlich bringt alles, was besonders niedlich oder spektakulär ist, Klicks“, sagt Christine Geidel vom Landesbund für Vogel- und Naturschutz in Bayern.
Entführung eines Wombat-Babys
Für Schlagzeilen sorgte jüngst ein Video einer US-Influencerin, das die Frau dabei zeigte, wie sie in Australien ein Wombat-Junges fing und damit vor der fauchenden Mutter wegrannte. In Deutschland sind vergleichbare Fälle wohl selten. Das liege auch daran, dass viele der heimischen Wildtiere nicht so einfach zu fotografieren seien, sagt Andreas Kinser von der Deutschen Wildtier Stiftung. „Da braucht man schon mehr Technik für als ein Smartphone, weil man nicht so nah rankommt.“
Fachleute wie Kinser haben trotzdem den Eindruck, dass die Wildtier-Fotografie auch hierzulande - egal ob professionell oder als Hobby betrieben - zugenommen hat. Über die sozialen Medien und Chatgruppen verbreiteten sich Meldungen über beobachtete Tiere rasant, erklärt die Biologin Geidel. Viele andere wollten dann dieses Motiv ebenfalls ablichten.
Im schlimmsten Fall geht die Brut verloren
Bei Felsbrütern wie dem Uhu habe es schon Fälle gegeben, wo Menschen zum Fotografieren so nah rangegangen seien, dass die Vögel gestört wurden oder sogar die Brut abbrachen, erzählt sie. Ähnliches sei bei Raufußkauz-Nisthöhlen beobachtet worden. „Die Plattform "Ornitho.de" hat aufgrund von Störungen und Belagerungszuständen auch schon Beobachtungsmeldungen der Sumpfohreule während der Brutzeit und an Schlafplätzen per se gesperrt.“
Ein ebenfalls begehrtes Foto-Motiv sind die Sammelplätze der Kraniche vor deren Zug in die Winterquartiere. Der Müritz-Nationalpark in Mecklenburg-Vorpommern bietet inzwischen spezielle Führungen mit begrenzter Platzzahl an, um die Besucherströme zu lenken. „Das Kranichticket ist eingeführt worden, da früher viele Menschen gleichzeitig versucht haben, die Kraniche zu fotografieren und damit die Störung zu groß für die Tiere wurde“, erläutert Sprecher Eike Lucas. Sichtschirme und Aussichtstürme sollen helfen, dass Tiere wie der Rothirsch bei der Brunft ungestört bleiben.
Dem Fischadler mit Drohnen nachgestellt
Die meisten Menschen hielten sich an die Regel, dass private Fotos nur von den Wegen und Aussichtspunkten erlaubt seien, betont Lucas. Doch es komme auch vor, dass Fotografinnen und Fotografen für ein vermeintlich perfektes Bild diese Regel ignorierten. Einige Tiere könne das nicht nur stressen, sondern ganz vertreiben oder ihre Fortpflanzung stören. Dem gefährdeten Fischadler sei vereinzelt schon mit Drohnen nachgestellt worden. „Nachweislich gab es dadurch in der Vergangenheit auch Brutverluste, was besonders tragisch ist“, sagt Lucas.
Henning Werth vom Alpinium koordiniert die Arbeit der Ranger im Naturschutzgebiet Allgäuer Hochalpen und ist oft selbst im Gelände unterwegs. „Es gibt Arten, die sind praktisch nur bei uns im Gebiet zu finden. Bei bestimmten Gruppen gibt es eine Art Wettbewerb, auch diese zu fotografieren.“ Zum Beispiel den Steinrötel, einen farbenprächtigen und ziemlich scheuen Vogel, oder balzende Birkhühner. Dafür müsse man gezielt zu den Brutgebieten oder Balzplätzen vordringen - was natürlich nicht erlaubt sei, sagt Werth. Insgesamt betreffe das nur einen sehr geringen Teil der naturinteressierten Leute, allein schon, weil man dafür spezielles Wissen und zum Teil gute Geländegängigkeit brauche.
Besondere Orte werden überrannt
„Seltene oder besonders attraktive Arten liegen schon lange hoch im Kurs, allerdings ist mit einem Foto dieser Arten oft ein hoher Aufwand verbunden“, bestätigt die Gesellschaft für Naturfotografie (GDT). Viel öfter seien es bestimmte Landschaftsmotive oder Orte, die regelrecht überrannt würden, weil alle das gleiche Foto haben wollten - ein Trend, der in der GDT kritisch diskutiert werde. Die Achtung vor dem Leben hat laut deren Satzung bei der fotografischen Arbeit Vorrang: Geltende Gesetze im Natur- und Artenschutz seien im In- und Ausland einzuhalten. Zudem arbeite ein neuer Arbeitskreis gerade an ethischen Leitlinien.
In den Allgäuer Hochalpen ist der Frauenschuh ein Motiv, das viele ablichten wollen. Die Orchideenart könne man eigentlich bequem vom Weg aus fotografieren, erzählt Werth. Doch manche Leute liefen trotzdem quer durchs Gelände, um eine Nahaufnahme von der Pflanze zu machen oder Standorte mit besonders vielen Blüten festzuhalten. Darunter leide die empfindliche Vegetation, an steilen Hängen könne es zu Erosion kommen. „An manchen Frauenschuh-Standorten sind bereits deutliche Trittschäden erkennbar“, sagt Werth.
Um solche Entwicklungen zu verhindern, bieten die Alpinium-Ranger in dem zweitgrößten Naturschutzgebiet Bayerns Führungen zu den „Big Five“ an - angelehnt an die Safaris in Afrika, nur dass die großen Fünf in den Alpen Steinadler, Gams, Steinbock, Murmeltier und Alpenschneehuhn sind. „Die Fotografie ist dabei Chance und Risiko zugleich“, sagt Werth. Risiko, weil sie die Natur belasten könne. Aber auch Chance, weil sich eben viele Fotografinnen und Fotografen an die Regeln hielten und mit ihren Bildern zur Wertschätzung der Natur beitrügen.
Abstand halten und nicht zu dicht an Tiere oder Brutplätze herantreten - das gelte nicht nur im Naturschutzgebiet, sondern für Naturbeobachtungen und Fotografieren generell, betont Martin Rümmler vom Naturschutzbund Deutschland. Natürlich sei man neugierig, wenn man ein Amselnest im Garten entdecke. „Aber auch da sollte man wirklich aufpassen, dass man die Tiere eher in Ruhe lässt und einfach den Moment genießt, statt immer ein Foto schießen zu müssen.“


