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Nahrungsmittel Nahrungsmittel: Müsli-Riese Dailycer schwächelt

Von Steffen Höhne 24.06.2012, 16:47
Ein Löffel Müsli
Ein Löffel Müsli Archiv/dpa Lizenz

Tangermünde/Halle (Saale)/MZ. - Wer früher von einem Schutzschirm sprach, meinte meist einen Sonnenschirm. Doch mittlerweile gibt es "Schutzschirme" für Banken und sogar für ganze Staaten. Seit Frühjahr 2012 gibt es sie nun auch für deutsche Firmen. Unter einen solchen ist nun Europas größter Müsli-Hersteller Dailycer aus Lüneburg (Niedersachsen) geflüchtet. Das Unternehmen mit einem großen Produktionsstandort in Tangermünde (Altmark) beantragte bei den Amtsgerichten Lüneburg und Tangermünde ein sogenanntes Schutzschirmverfahren.

Rohstoffkosten deutlich gestiegen

Unternehmenssprecher Mirko Kahre betont, dass das Unternehmen keine Insolvenz angemeldet hat. "Dailycer ist voll zahlungsfähig", sagt Kahre. Die Produktion laufe unbeeinträchtigt weiter. Die Firma habe den Schritt gewählt, um ein geplantes Sanierungskonzept schnell umzusetzen.

Im März 2012 wurde das deutsche Insolvenzrecht reformiert. Seither ist es möglich, dass Unternehmen, geschützt vor Gläubigerforderungen, eine Sanierungsphase durchlaufen können. Diese soll gerade eine Pleite verhindern.

Dailycer geht es freilich alles andere als gut. Nach Angaben von Kahre ist der europäische Cerealienmarkt in den vergangenen Jahren rückläufig gewesen. In den ersten Monaten 2012 habe es sogar einen Markteinbruch von zwölf Prozent gegeben. Demgegenüber seien die die Rohstoffkosten "extrem gestiegen". Dies mache laut Kahre der gesamten Branche zu schaffen.

Dailycer produziert vor allem sogenannte Handelsmarken für die großen Ketten. Diese vertreiben die Müslis unter eigenem Namen in ihren Regalen und zumeist deutlich günstiger als die Marken-Frühstücksflocken etwa von Vitalis. Das heißt, dass die Gewinnspannen der Hersteller-Unternehmen wie Dailycer äußerst gering sind. Steigen die Kosten, gibt es meist wenig Spielraum.

Unternehmenschef Olaf Blank hat nun drei Monate Zeit, die Sanierungspläne umzusetzen. Am Standort Lüneburg sind 470 Mitarbeiter beschäftigt, in Tangermünde 330. Daneben produziert Dailycer in Großbritannien, Frankreich, Holland und der Schweiz. Europaweit beschäftigt die Gruppe 1 800 Mitarbeiter. Das Schutzschirmverfahren bietet nun Sonderkündigungsrechte gegenüber Mitarbeitern und Dienstleistern. Die Geschäftsführung kündigte "harte Einschnitte" an. "Ein Großteil der Arbeitsplätze soll aber erhalten bleiben", sagt Kahre. Laut Medienberichten gibt es die Befürchtung, dass ein Teil der Produktion von Lüneburg in das modernere Werk nach Tangermünde verlagert wird. Dieses wurde 1999 eröffnet und stellt über 800 Produkte her.

Friedensau war Geburtsort

Sachsen-Anhalt ist die Wiege von Dailycer und der deutschen Müsli-Herstellung überhaupt. Im Rahmen der weitläufigen Reformbewegung wurde im Jahre 1899 in Friedensau nahe Magdeburg von der dort ansässigen christlichen Gemeinde der "Deutsche Verein für Gesundheitspflege" und die damalige De-Vau-Gesundkostwerk GmbH zur Herstellung von ausschließlich vegetarischen Produkten gegründet. Erstmals wurde hier die Getreide-Knusperflocke produziert. Doch bereits 1912 wurde die Produktion nach Hamburg verlagert und später nach Lüneburg. Durch die Fusion der De-Vau-Gesundkostwerke mit Dailycer entstand 2007 der europäische Marktführer. Firmenchef Blank äußerte sich zuletzt optimistisch, dass der Müsli-Riese gestärkt aus dem Schutzschirm wieder heraustreten wird.