MZ-Interview mit Uwe Raab MZ-Interview mit Uwe Raab: «Ich war kaputt im Kopf»

Wittenberg/MZ. - Er habe seine Karriere beendet, als das systematische Doping Mitte der 90er Jahre begann, erklärte er gegenüber MZ-Redakteur Dirk Skrzypczak. Gleichzeitig belastet er die damalige Teamleitung schwer.
Hatten Sie zu ihrer Zeit beim Team Telekom Kenntnis von den internen Doping-Praktiken?
Raab: Sie waren neben meinem fortgeschrittenen Alter der Grund für meinen Ausstieg als Sportler aus dem aktiven Rennsport. Plötzlich sind Fahrer, die ich immer im Griff hatte, an mir vorbeigerollt. Ich habe mich damals gegen Doping entschieden, wollte diesen Irrsinn nicht mitmachen. Diese ganze Situation hat mir arg zugesetzt. Ich war kaputt im Kopf.
Bot man ihnen aus Teamkreisen auch Dopingmittel an?
Raab: Ja, die Teamleitung ist an mich herangetreten. Als ich abgelehnt habe, war ich weg vom Fenster, meine Karriere besiegelt. Natürlich hatte ich mich auch mit anderen Sportlern unterhalten. Da gab es schon die wildesten Gerüchte. Und als ich dann 1996 vor dem Fernseher saß und sah, wie einige Jungs plötzlich gefahren sind, war mir klar, was gespielt wurde.
Die Mauer des Schweigens bricht Stück für Stück zusammen. Ist das für Sie eine Erleichterung?
Raab: Natürlich, endlich kann ich offen über meine Gefühle reden. In dieser Form habe ich allerdings nicht mit den Geständnissen gerechnet. Das zeigt, wie sehr meine früheren Kollegen leiden. Eines ist klar, gegen diesen Skandal sind die Vorkommnisse 1998 beim Team Festina, das die Dopinglawine ins Rollen brachte, ein Klacks. Und was wir sehen, ist nur die Spitze des Eisbergs.
Was glauben Sie, warum haben Leute wie Rolf Aldag und Erik Zabel damals zu unerlaubten Mitteln gegriffen?
Raab: Der Druck auf uns Sportler durch Presse und Sponsoren ist immens groß gewesen. International waren wir nur zweite Wahl. Und das, obwohl die Fahrer aus der DDR bis zur Wende ein Trainingssystem auf Weltniveau nutzen konnten.
Das ja so sauber auch nicht gewesen ist.
Raab: Aus meiner Sicht wurde bei uns nur mit Wasser gekocht. Meinen WM-Titel habe ich 1983 jedenfalls auf ehrliche Weise erkämpft.
Der Radsport steckt in seiner schwersten Krise. Wie kann er verlorenes Vertrauen wieder zurückgewinnen?
Raab: So etwas geht nicht von heute auf morgen. Die Sportler, die dopen, sind den Fahndern meist einen Schritt voraus. Wird ein neues Mittel entdeckt, wechseln die Dopingsünder einfach auf das nächste Präparat. Die Kontrollmethoden müssen einfach schneller greifen. Auch wären härtere Strafen durch staatliche Instanzen sicherlich eine Abschreckung.