1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Tod vor 27 Jahren: Mordfall Stephanie aus Thüringen vor 27 Jahren: Lkw-Fahrer vor Gericht

Tod vor 27 Jahren Mordfall Stephanie aus Thüringen vor 27 Jahren: Lkw-Fahrer vor Gericht

Von Katrin Bischoff 23.10.2018, 08:07
Eine Jenaer Polizeibeamtin stellt einen Blumenstrauß unter das Foto der ermordeten Stephanie Drews.
Eine Jenaer Polizeibeamtin stellt einen Blumenstrauß unter das Foto der ermordeten Stephanie Drews. dpa-zentralbild

Die Teufelstalbrücke in Thüringen ist 56 Meter hoch. Über das Viadukt rollt der Verkehr der Autobahn 4. Auf dieser Brücke geschah vor mehr als 27 Jahren ein unfassbares Verbrechen. Hans-Joachim G. soll die zehnjährige Stephanie Drews von dieser Brücke geworfen haben. In Tötungsabsicht, wie es in der Anklage heißt. Damit habe der Berufskraftfahrer aus Berlin die Strafverfolgung verhindern wollen. Denn Hans-Joachim G. hatte das Mädchen zuvor missbraucht.

Seit heute muss sich Hans-Joachim G., der im März dieses Jahres in Berlin festgenommen wurde, vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts im thüringischen Gera verantworten. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 66-jährigen Mann Mord vor.

Am Nachmittag des 24. August 1991 soll der Angeklagte das Kind im Goethepark in Weimar angesprochen und nach dem Weg zum Schloss gefragt haben. Hans-Joachim G. habe Stephanie 50 Mark dafür geboten, ihn die Route zu zeigen und das Mädchen so in sein Auto gelockt.

Mord an Stephanie 1991: Gab der Täter dem Mädchen Tabletten zur Beruhigung?

Der Angeklagte soll mit dem Kind bei Schleiz von der Autobahn 9 auf einen unbekannten Waldweg gefahren sein - um sich an der Schülerin zu vergehen. Nach etwa 90 Minuten sei Hans-Joachim G. mit seinem Opfer wieder in Richtung Weimar gefahren sein. Dabei soll er dem Kind zur Beruhigung mehrere Tabletten gegeben und auch selbst Beruhigungsmittel genommen haben. 

Laut Anklage hielt der Angeklagte mit seinem Fahrzeug an der Teufelstalbrücke an und trug das Mädchen, das zumindest laufunfähig gewesen sein soll, in die Mitte der Brücke. In Tötungsabsicht und um nicht entdeckt zu werden soll er Stephanie von der Brücke gestoßen haben.

Der 24. August 1991 war ein Sonnabend in den Sommerferien. Stephanie Drews spielte an jenem Tag mit ihren beiden jüngeren Geschwistern und einer Freundin im Goethepark, als sie ihrem Mörder begegnete. Offenbar hatte er die Kinder seit einiger Zeit beobachtet.

Gegen 15 Uhr soll er sie angesprochen haben und nach dem Schloss Belvedere gefragt haben. Offenbar verwickelte er die vier Mädchen in ein längeres Gespräch, um deren Vertrauen zu erlangen. Er bot Stephanie Drews schließlich Geld an, wenn sie ihm den Weg zum Schloss zeigen würde und versprach, das Kind bis 16 Uhr wieder zurückzubringen.

Tote Stephanie: Brille und Sandalen fehlten

Doch Stephanie blieb verschwunden. Ihr Vater suchte den Park ab, die Mutter alarmierte schließlich die Polizei von einem nahegelegenen Getränkemarkt, da die Familie noch keinen Telefonanschluss hatte. Die Polizei suchte das gesamte Stadtgebiet ab - ohne Erfolg. 

Erst vier Tage nach Stephanies Verschwinden machten zwei Kinder in einem Waldstück unter der Teufelstalbrücke eine schreckliche Entdeckung. Sie fanden die Leiche des vermissten Mädchens. Die Obduktion ergab, dass Stephanie gelebt hatte, als sie von der Brücke fiel. Sie starb an ihren Verletzungen durch den Sturz. Stephanies Leiche war bekleidet, als sie gefunden wurde. Nur ihre Brille und die rosafarbenen Sandalen fehlten. Und Stephanies Mörder. Fast 27 Jahre lang.

Bewegung kam in den ungeklärten Mordfall erst, als im November 2016 die Sonderkommission Altfälle in Jena gegründet wurde. Dabei nahmen sich die Fahnder auch noch einmal drei ungeklärte Kindermorde vor - darunter den Mord an Stephanie Drews. Bei der Durchsicht aller Akten stießen die Fahnder auf einige Sexualstraftäter. Auch auf Hans-Joachim G. Bei ihm erkannten sie ein Muster.

Verdächtiger im Mordfall Stephanie: Mehrfach vorbestraft

Der Mann wurde in Weimar geboren, er soll vor der Wiedervereinigung nach Berlin gezogen sein. Er ist mehrfach wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern vorbestraft. 1987 wurde er in Berlin zu einer Bewährungsstrafe von zehn Monaten verurteilt. Im Mai 1994 verging sich der Mann in Thüringen erneut an Kindern.  Sechseinhalb Jahre Haft lautete 1996 das Urteil des Landgerichts Gera. Nach der Verbüßung der Freiheitsstrafe kam Hans-Joachim G. in den Marßregelvollzug, eine Klinik für psychisch kranke Straftäter. 2013 wurde er entlassen.

Den Fahndern fiel an den Taten des Mannes auf, dass er immer nach demselben Modus Operandi vorging. Er hatte Kinder angesprochen, mitgenommen, sexuell missbraucht und zurückgebracht.

Ende Februar dieses Jahres fuhren die Thüringer Ermittler nach Berlin. Eineinhalb Woche wurde Hans-Joachim G. observiert. Der Mann lebte in einer Zwei-Zimmer-Wohnung in der Holzhauser Straße in Reinickendorf und war noch immer als Lkw-Fahrer in ganz Deutschland unterwegs.

SEK nahm Tatverdächtigen 27 Jahre nach dem Tod von Stephanie fest

Am 4. März dieses Jahres, es war ein Sonntag, wurde der Tatverdächtige festgenommen - durch ein Spezialeinsatzkommando (SEK) aus Jena. Noch in seiner Wohnung soll Hans-Joachim G. ein Teilgeständnis abgelegt haben. Seit dem 5. März sitzt der Mann in Untersuchungshaft.

„Mein Mandant wird sich am ersten Verhandlungstag vermutlich nicht äußern“, sagt Stephan Rittler, der Hans-Joachim G. vor der Schwurgerichtskammer verteidigt. Eine Ermittlerin aus der Soko Altfälle soll noch am Dienstag als Zeugin gehört werden. Stephanies Mutter wird in dem Prozess als Nebenklägerin auftreten. Sie wird von einer Berliner Anwältin vertreten. 

Für den Mordprozess sind bisher zwölf Verhandlungstage vorgesehen.

(Dieser Text erschien zuerst bei der Berliner Zeitung)