Metallbranche Metallbranche: Einigung in Baden-Württemberg bringt den Durchbruch

Pforzheim/dpa. - Die deutsche Metall- und Elektroindustrie ist mit einer Tarifeinigung in Baden-Württemberg in letzter Minute an einem Streik vorbeigeschrammt. Ein am Donnerstagmorgen nach 16- stündigen Verhandlungen erzielter Pilotabschluss wurde von Politik und Wirtschaft überwiegend mit Erleichterung aufgenommen. Es gab aber auch kritische Stimmen.
Mit der Einigung in Pforzheim ist der erste große Tarif-Abschluss dieses Jahres praktisch unter Dach und Fach. In der Branche gibt es bundesweit 3,5 Millionen Beschäftigte. Nur der Verband der sächsischen Metall- und Elektroindustrie (VSME) lehnte eine Übernahme strikt ab. Andere Metall-Tarifbezirke signalisierten Zustimmung.
Bundeskanzler Gerhard Schröder und Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (beide SPD) begrüßten den Abschluss. Auch die CDU/CSU sprach von einem «sinnvollen» Ergebnis. Als einen großen Fehler bezeichneten den Abschluss dagegen der FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle und sein Stellvertreter Rainer Brüderle.
Gewerkschaft und Arbeitgeber vereinbarten im Südwesten einen neuen Tarifvertrag für 26 Monate. Nach zwei Null-Monaten sollen die Löhne und Gehälter vom 1. März an um 2,2 Prozent im Volumen steigen, vom 1. März 2005 an noch einmal um 2,7 Prozent. Die Laufzeit endet am 28. Februar 2006. Die IG Metall hatte ursprünglich vier Prozent mehr Geld für zwölf Monate gefordert. Die Arbeitgeber boten jeweils 1,2 Prozent in zwei Stufen und eine Laufzeit von 27 Monaten.
IG Metall-Chef Jürgen Peters hob hervor, dass die IG Metall die flächendeckende Wiedereinführung der 40-Stunden-Woche auch ohne Bezahlung verhindert habe. «Wir sind froh, dass wir die Arbeitgeber von der Aussichtslosigkeit ihres Unterfangens überzeugen konnten», sagte er. Gesamtmetall-Präsident Martin Kannegiesser räumte ein, dass die Lösung «ein anderer Weg ist, als wir uns ursprünglich vorgestellt haben». Die Forderung nach betrieblichen Öffnungsklauseln für die Arbeitszeitverlängerung habe aber ein Kernselbstverständnis der IG Metall berührt. «Wir können auf verbrannter Erde, die entstanden wäre, keine betrieblichen Spielräume bauen.»
Bei dem Abschluss für die 800 000 Beschäftigten in Baden- Württemberg einigten sich die Tarifparteien auf Regelungen, die es erlauben, auf betrieblicher Ebene in bestimmten Fällen die Arbeitszeit auf bis zu 40 Stunden zu verlängern. Die Tarifparteien sollen dabei mitwirken und die Zuständigkeit bei betrieblichen Abweichungen von Tarifnormen behalten.
«Die IG Metall bleibt im Boot, hat sich aber verpflichtet, mit uns in die gleiche Richtung zu rudern», sagte Südwestmetall-Chef Otmar Zwiebelhofer. IG Metall-Bezirksleiter Jörg Hofmann betonte, dass die 35-Stunden-Woche weiter der Bezugspunkt der Arbeitszeit im Betrieb bleibe. Die Tarifkommission des IG Metall-Bezirks Baden-Württemberg kam am Donnerstagnachmittag zusammen, um über das Ergebnis zu beraten.
Kanzler Schröder sagte dem Nachrichtensender N24: «Das ist sicher ein guter Abschluss, gar keine Frage. Er wird helfen, die Wirtschaft nach vorne zu bringen. Ich kann denen, die das zu Wege gebracht haben, nur sagen: Das ist schon etwas, was hilfreich sein wird.»
Der Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Michael Rogowski, sagte n-tv: «Unser großes Anliegen war, mehr Flexibilitätsspielraum in den Betrieben, um über Löhne und Arbeitszeiten auf betrieblicher Basis zu verhandeln, das ist nur sehr eingeschränkt realisiert worden.» Die 26 Monate Laufzeit seien gut. Der Präsident des Bundesverbandes des Deutschen Groß- und Außenhandels, Anton Börner, sagte: «Mit dem Tarifabschluss ist es gelungen, die Tarifverträge weiter zu flexibilisieren. Dies stärkt die internationale Wettbewerbsfähigkeit und ist ein positives Signal auch für andere Branchen.»
Der Vorsitzende der Mittelstands- und Wirtschaftsvereinigung von CDU/CSU, Peter Rauen (CDU), nannte die Tarifeinigung im ARD- Morgenmagazin «sinnvoll». Er habe den Eindruck, «dass man den Einstieg in betriebliche Bündnisse jetzt gefunden hat». «Es gibt hier zwar noch Begrenzungen, so ganz ist das noch nicht das Gelbe vom Ei, aber ich finde diesen Einstieg in der heutigen Zeit sehr vernünftig.»
Enttäuscht zeigten sich die Freien Demokraten. FDP-Chef Westerwelle sagte, das «Tarifkartell» sei nicht zur Flexibilisierung bereit. Brüderle meinte im Bundestag, die Grundvoraussetzung für einen Aufschwung am Arbeitsmarkt - eine Öffnung der Tarifverträge für betriebliche Vereinbarungen ohne vorherige Genehmigung der Tarifparteien - sei nicht geschafft worden.
