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Merckle verspekuliert sich mit VW-Aktie

17.11.2008, 15:52

Ulm/dpa. - Der Unternehmer und Milliardär Adolf Merckle hat sich offensichtlich mit VW-Aktien verspekuliert und dabei schwere Verluste eingefahren.

Der laut «Forbes»-Magazin fünftreichste Deutsche arbeite deshalb mit einem Bankenkonsortium an einer neuen Kreditvereinbarung für seine Investmentfirma VEM Vermögensverwaltung, wie am Montag mehrere Zeitungen berichteten. Merckle soll im Oktober durch den rasanten Anstieg der VW-Aktie mehr als eine Milliarde Euro verloren haben, weil auf fallende Kurse des Papiers gewettet worden sei. Das erfuhr die Finanz-Nachrichtenagentur dpa-AFX am Montag aus Finanzkreisen. Seit rund vier Wochen werde sogar über einen möglichen Verkauf des Generika-Herstellers ratiopharm diskutiert. Die Merckle- Unternehmen wollten sich dazu am Montag zunächst nicht äußern.

Die Merckle-Gruppe mit etwa 100 000 Mitarbeitern macht jährlich insgesamt rund 30 Milliarden Euro Umsatz. Sie soll mehr als 16 Milliarden Euro Finanzschulden haben. Zum Merckle-Imperium gehören neben ratiopharm und VEM auch Deutschlands größter Baustoffhersteller HeidelbergCement und der Pharmagroßhändler Phoenix. Weitere Beteiligungen der Familie sind Kötitzer Leder, Spohn Cement und Kässbohrer Geländefahrzeuge. Merckles Privatvermögen wird auf 9,2 Milliarden Dollar geschätzt.

Bereits am Freitag war bekanntgeworden, dass der Pharmahersteller ratiopharm verkauft werden soll, um HeidelbergCement aus den roten Zahlen zu helfen. HeidelbergCement macht der Markteinbruch in den USA und Großbritannien zu schaffen. Die Gerüchte wurden offiziell weder bestätigt noch dementiert. Ein ratiopharm-Sprecher sagte der Deutschen Presse-Agentur dpa lediglich: «Tatsache ist, dass der Geschäftsführung keine Entscheidung der Gesellschafter vorliegt.» Als Käufer wurden die israelische Teva-Gruppe und der französische Pharmakonzern Sanofi-Aventis gehandelt. Die Summe soll bei bis zu 5,4 Milliarden Euro liegen. Ratiopharm hat rund 5400 Mitarbeiter und erzielte zuletzt 1,8 Milliarden Euro Umsatz.

Den Berichten zufolge setzen Merckle die misslungen Aktien-Wetten mit dem VW-Papier zu. Dabei machten auch Hedge-Fonds Ende Oktober Milliarden-Verluste, weil sie bei Leerverkauf-Geschäften auf fallende Kurse gewettet hatten. Händler hatten dabei zunächst massiv geliehene VW-Aktien verkauft. Sie wollten sie später vor der Rückgabe an die Leihgeber zu niedrigeren Kursen wiederkaufen und die Differenz als Gewinn einstreichen. Es kam aber anders: Porsche gab bekannt, dass man inzwischen rund 74 Prozent der Anteile an VW in der Hand halte. Der Kurs schoss in die Höhe und die Leerverkäufer wurden kalt erwischt. Zeitweise erreichte die Aktie am 28. Oktober den Stand von 1005,01 Euro - damit war Volkswagen kurzzeitig das teuerste Unternehmen der Welt.

Wie schwer die Merckle-Gruppe von diesen missratenen Geschäften betroffen sein könnte, war zunächst unklar. Der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» sagte VEM-Geschäftsführer Ludwig Merckle: «Wir stehen mit den Banken in Verhandlungen zur Stabilisierung der Situation. Diese Verhandlungen sind weit fortgeschritten.» Rund 40 Banken sollen sich an den Kredit-Verhandlungen beteiligen. Die Commerzbank sei dabei in führender Funktion. Aber auch die Landesbank Baden-Württemberg (LBBW) und die Royal Bank of Scotland seien in die Gespräche involviert. Die LBBW wollte sich dazu nicht äußern. Auch Gerüchte, wonach die Bank den Milliardär bei seinen Aktien-Wetten beraten habe, wollte sie nicht kommentieren.

Die Aktien von HeidelbergCement brachen nach den Berichten am Montag ein. Es herrsche Sorge, dass die Familie Merckle verstärkt Anteile abstoßen könnte, um die Fehlspekulationen zu finanzieren, hieß es. Bis zum Nachmittag verlor die Aktie 18,80 Prozent auf 41,50 Euro. Sie war damit Schlusslicht im MDAX. «Die Spekulationen über die finanzielle Lage der Merckle-Familie betreffen HeidelbergCement nicht direkt. Allerdings könnte der Druck der Banken zu einer massiven Veränderung im Firmenportfolio der Familie sowie einer Änderung der Investmentstrategie führen», urteilte Analyst Marc Nettelbeck von der DZ Bank in einer Studie.