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Meissener Porzellan Meissener Porzellan: Das Weiße Gold stammt aus einem Mini-Bergwerk

Von Jörg Schurig 13.02.2006, 07:02
Kaolin für die Porzellan-Manufaktur Meissen fördert der Steiger Ulrich Graunitz im nach eigenen Angaben kleinsten Bergwerk Deutschlands in Seilitz bei Meißen. (Foto: dpa)
Kaolin für die Porzellan-Manufaktur Meissen fördert der Steiger Ulrich Graunitz im nach eigenen Angaben kleinsten Bergwerk Deutschlands in Seilitz bei Meißen. (Foto: dpa) dpa-Zentralbild

Seilitz/dpa. - Ohne exakte Routenbeschreibung ist das kleinsteBergwerk Deutschlands kaum zu finden. Nur wenige Kilometer Luftlinievon der Porzellan-Manufaktur Meissen entfernt, liegt der Rohstoff für das «Weiße Gold» in seltener Reinheit in der Erde. Die Lagerstätte inder Ortschaft Seilitz gilt als erdgeschichtlicher Glücksfall. Nachihrem Entstehen im Tertiär vor rund 100 Millionen Jahren stand dieganze Gegend unter Wasser. «Normalerweise wäre das Vorkommen beimRückgang der Fluten weggespült worden. Aber eine Pechstein-Hülleschützte das Kaolin», erzählt Bergmann Ulrich Graunitz.

Gemeinsam mit zwei Kumpels «schürft» der 52-Jährige hier jährlich200 bis 300 Tonnen Kaolin. In der Kombination mit Quarz und Feldspatliegt das Geheimnis des Meisseners begründet: Es ist «weißer» alsandere Porzellane. Ulrich Knüpfer, «oberster Gütekontrolleur» derManufaktur, erklärt das so: «Andere Kaoline haben höhereVerunreinigungen an Eisenoxid und Titanoxid. Bei denen gibt es danneinen gewissen Gelbstich oder Blaustich.»

Nach alter Legende war das alles ein Glücksfall. Nachdem dieErfinder des europäischen Porzellans, Johann Friedrich Böttger undEhrenfried Walter von Tschirnhaus, Anfang des 18. Jahrhunderts dasrichtige Rezept gefunden hatten, holte die 1710 gegründete Manufakturihr Material zunächst aus der Gegend von Aue. «Eines Tages hat einManufakturist bei der Arbeit auf seinem Acker in Seilitz weißeSpitzen am Pflug entdeckt», erzählt Graunitz. 1764 wurde dieser Fleckzum Lieferanten für die Porzellane mit den «Blauen Schwertern.»

Inzwischen arbeiten die Bergleute auf Sohle 5 in 17 Meter Tiefe.Das Kaolin ist eher feucht und lässt sich gut herausbrechen. Beiderart lockerem First (Decke) ist ein richtiger Ausbau oberstesGebot, pro Sohle sind bis zu 300 Meter aufgefahren. Im Winter liegendie Temperaturen hier bei fünf Grad, im Sommer sind es 15. Mit seinenhellen Wänden hat das Gangsystem nichts von der Gruftatmosphärevieler Erzgruben. Zum Gezähe (Werkzeug) gehören Beil und Bohrhammer.Ein Hunt befördert das losgebrochene Material bis zu einem Fahrstuhl.

«Der Rohstoff wird in der Manufaktur mit Wasser aufgelöst und ineiner Schlemmanlage aufbereitet. Grobe Gesteinsanteile werdenausgesiebt. Von der ursprünglichen Rohstoffmenge bleibt ein Drittelfeinsten Kaolins übrig», erklärt Knüpfer. Der hohe Kaolinanteil inder Masse erfordert eine hohe Temperatur von etwa 1450 Grad für den«Glattbrand». «Dort passieren die Stoff bildenden Prozesse. DieAusgangsmasse verliert etwa ein Sechstel ihres Volumens.» Folglichwerden alle Porzellane größer geformt, als sie am Ende sind.

«Um die Qualität konstant zu halten, mischen wir mehrere Kaoline.Das hat schon der alte Böttger so gemacht», verrät Knüpfer. Dennschwankende Eigenschaften der Rohstoffe würden das Verarbeitenkomplizierter machen. Als Folge sind beispielsweise Deformationenmöglich. Beim Aufbringen der Dekors kann sich die Manufaktur auseinem wahren Schatz von 10 000 Farben bedienen. Das Farblabor wirdwie ein militärisches Geheimnis gehütet. Wenn die rund 450Porzellanmaler ihr kunstvolles Werk verrichtet haben, kommen dieedlen Stücke nochmal zum Dekorbrand bei 900 Grad in den Ofen.

Spekulationen um ein Ende des «Weißen Goldes» belächelt Graunitz.Das Seilitzer Vorkommen reiche Jahrzehnte. «Die jetzige Grube gibtnoch Material für zehn bis zwölf Jahre. Dann arbeiten wir uns weitervor.» Dass dem Traum vom Meissener Porzellan einst der Stoff ausgehenkönnte, halten Fachleute für unwahrscheinlich.