1. MZ.de
  2. >
  3. Deutschland & Welt
  4. >
  5. Mehdorn lehnt Rücktritt wegen Datenaffäre ab

Mehdorn lehnt Rücktritt wegen Datenaffäre ab

27.03.2009, 19:21

Berlin/dpa. - Bahnchef Hartmut Mehdorn will trotz neuer Vorwürfe in der Datenaffäre im Amt bleiben. Man fordere seinen Rücktritt, ohne dass die Untersuchungen beendet seien, sagte er am Freitagabend in Berlin. «Hierfür stehe ich nicht zur Verfügung.»

Mehdorn hat in der Datenaffäre das Vertrauen der Gewerkschaften verloren. Transnet, GDBA und die Lokführergewerkschaft GDL forderten ihn am Freitag erstmals zum Rücktritt auf, ebenso wie die Oppositionsparteien des Bundestages. Zuvor war bekannt geworden, dass der Konzern auch die E-Mails von Mitarbeitern kontrolliert hatte. Nach einer Aufsichtsratssitzung lehnte es Mehdorn ab, seinen Posten vorzeitig aufzugeben.

E-Mails seien nicht flächendeckend überwacht und auch nicht auf ihren Inhalt kontrolliert worden, sagte der Bahnchef. Er bleibe dabei: «Durch die DB AG wurde niemand bespitzelt - weder Journalisten noch Aufsichtsräte noch Politiker oder Gewerkschafter, auch keine Mitarbeiter.» Weiterhin seien keine strafrechtlich relevanten Verstöße festgestellt worden.

Unabhängig von der Korruptionsbekämpfung soll der Konzern E-Mails von Mitarbeitern überprüft haben, hatten zuvor die «Süddeutsche Zeitung» (SZ) und «Spiegel Online» berichtet. Dabei sei gezielt nach Kontakten zu Journalisten und anderen Konzernkritikern gesucht worden. Es habe sich um eine großflächige Aktion gehandelt, von der ein größerer Teil der Belegschaft erfasst wurde, hieß es in der SZ.

Die Wirtschaftsprüfgesellschaft KPMG sowie die ehemaligen Bundesminister Gerhart Baum (FDP) und Herta Däubler-Gmelin (SPD), die mit der Untersuchung beauftragt sind, haben demnach zahlreiche Akten ausgewertet und bereits 60 Mitarbeiter des Staatsunternehmens als Zeugen vernommen. Bei diesen Recherchen sei die Suche bei Bahn-Mitarbeitern nach Journalistenkontakten bekanntgeworden.

Mehdorn sagte, KPMG habe «jetzt Sachverhalte ermittelt, die ausdrücklich dem Ziel dienen, Geheimnisverrat über E-Mails zu verhindern und aufzudecken. Diese Maßnahmen sind nach einer ersten Bewertung rechtlich zulässig.» In einer gültigen Betriebsvereinbarung sei die Protokollierung von Adress- und Betreffzeilen ausdrücklich vorgesehen. «Eine Kontrolle der Inhalte von E-Mails hat nicht stattgefunden», fügte der Vorstandschef hinzu. Der Vorstand habe auch «zu keinem Zeitpunkt eine Auswertung von E-Mail-Daten angeordnet».

Offen ist jetzt, wie sich die Bundesregierung positioniert. Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) sagte in Leipzig am Rande einer Automobilmesse, es seien neue Vorwürfe erhoben worden. «Wenn die sich bestätigen, wird es ganz, ganz schwer.»

Sein Staatssekretär Achim Großmann (SPD) sagte nach der Aufsichtsratssitzung, in der die vom Kontrollgremium beauftragten Gutachter einen Zwischenbericht abgaben: «Wenn es so passiert ist, ist es dramatisch.» Es gebe belastende Hinweise, aber noch keinen endgültigen Bericht. Dieser soll nach Worten von Sonderermittler Baum bis Mitte Mai fertig sein. Am kommenden Mittwoch tagt der Verkehrsausschuss des Bundestages in einer Sondersitzung, in die auch der Bahnchef zu einer zweiten Befragung geladen ist. Bereits am Montag legt die Bahn ihre Geschäftsbilanz 2008 vor.

Transnet-Chef Alexander Kirchner forderte Mehdorn auf, die politische Verantwortung für die Datenaffäre zu übernehmen, auch wenn die rechtliche Bewertung noch nicht abgeschlossen sei. «Es ist der Punkt erreicht, personelle Konsequenzen zu fordern.» Von den Sonderermittlern in der Affäre seien bisher etwa die Hälfte der Unterlagen untersucht und der vorgesehenen Interviews geführt worden. Entscheidend für die Gewerkschaften sei, dass über die Korruptionsbekämpfung hinaus der E-Mail-Verkehr von zahlreichen Beschäftigten überwacht worden sein soll. Kirchner sprach von etwa 70 000 bis 80 000 Mitarbeitern, die das bahninterne E-Mail-Netzwerk nutzen.

Die Revision der Bahn hat nach «Spiegel»-Informationen im Jahr 2005 die E-Mails sämtlicher Mitarbeiter daraufhin gerastert, ob sie an bestimmte, klar definierte Adressen gesandt wurden. Bei den Empfängern habe es sich durchweg um externe Verkehrsexperten und Bahnkritiker gehandelt, teilweise aus dem Bundestag. Die interne Rasterfahndung sei direkt vom Vorstand angeordnet worden, berichtet der «Spiegel».