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Medienwissenschaften Medienwissenschaften: Der Morgen danach

Von JULIA KLABUHN 01.03.2011, 16:39

Halle (Saale)/MZ. - Noelle Gaiselmann sieht blass aus. Streng schaut sie immer wieder auf die Uhr, "kriegen wir das jetzt in 15 Minuten hin?" ruft die Studentin in Richtung Regiepult. "Jetzt macht die Aufnahmeleitung Druck", sagt Caroline Lange. Die 20-Jährige hat dunkle Ringe unter den Augen. Lange ist übermüdet, genauso wie Gaiselmann. Die beiden Studentinnen und ihre Kommilitonen haben dreieinhalb Drehtage hinter sich, eigentlich auch Nächte. Denn morgens ab sieben wurde am Set aufgebaut, zwei bis drei Stunden später starteten die Dreharbeiten, die an manchen Tagen bis in die Nacht dauerten.

Trotzdem, an diesem vierten Drehtag, dem letzten, sind die 28 Studenten im Aufnahmestudio des Mitteldeutschen Multimedia Zentrums (MMZ) Halle hoch konzentriert. Schließlich geht es um ihr Projekt, um ihren Film, besser gesagt: um ihre Soap. Die Folge "Goodbye Lena" ist der Pilotfilm zu einer Uni-Soap unter dem Titel "WG-geeignet". Gedreht wird sie von Studenten des dritten Semesters im Fachbereich Medien- und Kommunikationswissenschaften der Uni Halle. Nachfolgende Jahrgänge sollen die Seifenoper peu à peu weiterentwickeln.

"Und bitte", sagt Robert Seeland, einer der Regisseure, und die Schauspieler beginnen die aktuelle Szene von vorn. Es ist der Morgen nach der Abschiedsparty von Ex-Mitbewohnerin Lena. Noch verkatert wird diskutiert, wer in das freie WG-Zimmer einziehen darf. Mit Schrecken stellen die vier Studenten fest, dass am Vorabend jeder einer anderen Person versprochen hat, das Zimmer zu bekommen.

Malte, gespielt von Robert Zimmermann, Rollenbeschreibung Macho, favorisiert die Blondine, die er auf Lenas Abschiedsparty kennen gelernt hat. Arne, gespielt von Alban Geweniger, Rollenbeschreibung der Unsichtbare, will lieber einen männlichen Mitbewohner. "Warum bist Du plötzlich so frauenfeindlich?", fragt Macho Malte.

"Die Studenten haben Charaktere entwickelt, die stereotyp sind und untereinander Konfliktpotential entwickeln", sagt Gerhard Lampe, Professor für Medienwissenschaften und Betreuer des Projektes. Neben Macho und Unsichtbarem gibt es noch den Nerd Norman (Maximilian Pulst) und die Theologiestudentin Miriam (Ragna Trost).

Begonnen wurde das Projekt im Wintersemester mit mehreren Drehbüchern. Die Studententeams mussten ihre Ideen präsentieren und "wie in der Realität den Produzenten überzeugen, also mich", sagt Lampe. Die Wahl fiel auf "WG-geeignet", eine Soap, die im Studentenmilieu spielt und die dort oft konfliktreiche Frage thematisiert, wer als neuer Mitbewohner in eine Wohngemeinschaft einziehen darf.

Die Darsteller der Uni-Soap sind Amateurschauspieler, die ehrenamtlich in der Soap auftreten. Aber auch die Studenten sind für die Produktion in Rollen geschlüpft: in die des Regisseurs, der Ausstatter, Aufnahmeleiter, Tontechniker, Kameraleute - jeder Job wird selbst übernommen. "Und jeder noch so kleine Job ist wichtig", sagt Lange, die unter anderem Ausstatterin des Films ist. Aufwendig sei zum Beispiel die Einrichtung der WG-Küche im Studio gewesen. Eine ganze Einbauküche haben die Studenten aufbauen lassen, die Wände sind selbst tapeziert und gestrichen. Selbst einen Fensterrahmen gibt es, der mit Fototapete hinterklebt den Blick auf die Stadt suggeriert.

Die "Herstellung der filmischen Realität", wie Lampe es nennt, erfordere sehr genaues Arbeiten, sagt Laura Steger, eine der Regisseure. Zum Beispiel muss das Licht natürlich wirken, die Scheinwerfer immer an der gleichen Stelle stehen. Am Boden der Studioküche werden die Stellen mit Klebeband markiert, wo in der vorigen Szene die Möbel standen. Die "Continuity", also die Studenten, die darauf achten, dass es keine Brüche in der Geschichte gibt, hat alle Hände voll zu tun. "Am schwierigsten sind Szenen zu drehen, in denen gegessen wird", sagt Lange. Schließlich darf die Müslischale in einer Szene nicht plötzlich voller sein als in der vergangenen. Viel gelernt habe sie bei den Dreharbeiten, sagt Noelle Gaiselmann. Wie wichtig es sei, dass bei der Arbeit eine Hierarchie akzeptiert und der Zeitplan eingehalten wird. Diese Themen werden die Studenten auch in den kommenden Wochen begleiten - bei der Postproduktion der Soap. Im Mai wollen die Studenten fertig sein. Dann wird "Goodbye Lena" in einem halleschen Kino präsentiert.