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Massive Kritik an Papst-Entscheidung

Von Katie Kahle 02.02.2009, 10:42

Rom/dpa. - Benedikt XVI. berief am Samstag den ultrakonservativen österreichischen Priester Gerhard Wagner zum Weihbischof der Diözese Linz. Unterdessen ging die Debatte um den diplomatischen Kurs des Papstes weiter. Der frühere Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, forderte von Rom «mehr politische Sensibilität». Zugleich warnte Lehmann vor Rechtsradikalismus in Deutschland. Es gebe es «immer noch einen ziemlich großen Bodensatz von Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit», sagte Lehmann «Welt online». Der Rottenburger Bischof Gebhardt Fürst ging in einer Erklärung auf Distanz zum Kirchenoberhaupt wegen des Falls Williamson.

Dem Protest gegen die Rücknahme der Exkommunikation von vier traditionalistischen Bischöfen hat sich auch der Hamburger Erzbischof Werner Thissen angeschlossen. «Einen Holocaust-Leugner zu rehabilitieren, ist immer eine schlechte Entscheidung», sagte er dem «Hamburger Abendblatt» mit Blick auf den britischen Holocaust-Leugner Richard Williamson, der zu den vier Bischöfen gehört. Thissen übte offen Kritik am Vorgehen des Vatikans: «Es hätte geklärt werden müssen, was die Meinung Williamsons ist.» Der Brite hatte in einem Fernsehinterview gesagt, es seien nicht sechs Millionen Juden von den Nazis getötet worden, sondern zwischen 200 000 und 300 000. Er leugnete zudem die Existenz von Gaskammern in den Vernichtungslagern.

Papst Benedikt XVI. habe die Kluft zu den Traditionalisten überbrücken wollen, sagte Thissen. Dass dieses Bemühen mit den unsäglichen Äußerungen Williamsons zusammenfiel, sei «furchtbar». Das Verhältnis zu den Juden und zur Ökumene habe durch die Entscheidung des Papstes «faktisch Schaden erlitten». «Dass in Hinblick auf Williamson nachgearbeitet werden muss, halte ich für sicher», sagte Thissen.

Der Generalsekretär des Zentralrates der Juden, Stephan Kramer, sagte im Fernsehsender N24, das Vorgehen des Vatikans stelle alles infrage, was dort bisher geäußert wurde. «Wir stehen jetzt im Prinzip vor einem Scherbenhaufen oder wir fragen uns, ob wir vor einem Scherbenhaufen stehen, das muss der Papst klarstellen.»

Der 54-jährige österreichischen Priester Gerhard Wagner, seit 1988 Pfarrer in Windischgarsten, hat durch umstrittene Äußerungen Schlagzeilen gemacht. So warnte er die Jugendlichen vor den Harry Potter-Büchern von J.K. Rowling, weil er darin «Satanismus» am Werk sah, und nannte den Hurrikan «Katrina», der New Orleans verwüstet hatte, eine Art göttliche Strafe für eine unmoralische Stadt. Nicht zufällig habe der Hurrikan die fünf Kliniken zerstört, in denen abgetrieben worden sei. Außerdem hätten die Homo-Verbände im französischen Viertel eine Parade geplant - nur zwei Tage nach den Hurrikan. «Ich bin einer, der die Konfrontation geradezu sucht», sagte Wagner am Samstag dem ORF-Fernsehen.

Das ist der «letzte Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringen wird», kommentierte die liberale Kirchenvolksbewegung «Wir sind Kirche» die Bestellung Wagners. Auch in der Diözese löste die Ernennung Besorgnis aus. Die Vorgehensweise sei «wirklich eine Katastrophe», sagte der Pfarrer von Traun, Generaldechant Franz Wild, dem ORF. Er befürchte, dass der Diözese eine schwierige Zeit bevorstehe. Laut österreichischen Medien war die Entscheidung weder mit Wagners zukünftigem Vorgesetzten, dem Linzer Diözesanbischof Ludwig Schwarz, noch mit Kardinal Christoph Schönborn abgesprochen.

Zuvor hatten die Anfang vergangener Woche bekanntgewordenen Pläne des Papstes, vier exkommunizierte Traditionalisten-Bischöfe, unter ihnen Williamson, zu rehabilitieren, zu einem schweren Zerwürfnis mit Vertretern des Judentums und zu massiver Kritik seitens katholischer Theologen geführt. Im dpa-Gespräch sagte Lehmann am Sonntag, er kenne viele Leute, «die jetzt wirklich enttäuscht sind, die auch viel auf den Papst gesetzt haben, vielleicht zu viel». Der Mainzer Bischof plädierte für eine konsequente Fortsetzung des jahrzehntelang betriebenen Dialogs zwischen der katholischen Kirche und den Juden. Auf beiden Seiten komme es auch mal zu Pannen und Fehlentscheidungen. Lehmann bat die jüdische Gemeinde, nicht «aus so einer Tatsache falsche Schlüsse zu ziehen und den Dialog aufzukündigen». Drohungen aus Israel, die diplomatischen Beziehungen mit Deutschland abzubrechen, halte er «für maßlos übertrieben».

Nach Berichten der italienischen Nachrichtenagentur Ansa vom Sonntag, steht ein Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen dem Heiligen Stuhl und Israel allerdings nicht zur Debatte. «Die hypothetische Frage einer Unterbrechung jeglicher diplomatischer Beziehungen zum Vatikan steht in keinster Weise auf der Tagesordnung», sagte der Sprecher des israelischen Außenministeriums, Igal Palmor, der Ansa. Er nahm damit Bezug auf einen «Spiegel»- Bericht, nach dem der israelische Minister für Religionsangelegenheiten, Jizchak Cohen, wegen der Rehabilitierung Williamsons mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen zum Vatikan gedroht hatte. Einen Besuch Papst Benedikts XVI. in Israel hält Palmor weiterhin für möglich. Die Vorbereitungen - im Gespräch ist eine Reise ins Heilige Land im Mai - «gingen voran wie geplant».

Der Vatikan distanzierte sich erneut von Williamson. «Sicher ist, dass wer auch immer die Shoa leugnet, nicht nur historischen Unsinn behauptet, sondern auch nichts versteht weder vom Mysterium Gottes noch von Christus am Kreuz», sagte Vatikan-Sprecher Federico Lombardi «Bild am Sonntag».

Unterdessen gehen die Proteste weiter. Der Rottenburger Bischof Gebhardt Fürst wandte sich in seiner Erklärung gegen den Beschluss des Papstes, den Holocaust-Leugner zu rehabilitieren. «Es belastet mich als Bischof und als Seelsorger, dass diese Vorgänge zur äußeren und inneren Entfremdung zahlreicher Gläubiger von der Kirche, zu einem Vertrauensverlust besonders der jüdischen Schwestern und Brüder gegenüber der Kirche sowie zu einer erheblichen Störung des christlich-jüdischen Dialogs geführt haben.» Volker Beck, erster parlamentarischer Geschäftsführer der Grünen im Bundestag, verglich den Papst gar mit George W. Bush. «Muslime, Protestanten, Juden, Homosexuelle - alle stößt er vor den Kopf», kommentierte Beck.

Der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft und langjährige Leiter der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung in Israel Johannes Gerster den Vatikan äußerte im «Tagesspiegel» die Hoffnung, dass der Vatikan wenigstens eine Kursänderung in Sachen Seligsprechung Pius XII. vornehme. Pius XII. - Papst von 1939 bis 1958 - ist immer wieder vorgeworfen worden, zur Verfolgung der Juden durch das Nazi-Regime geschwiegen zu haben. Benedikt XVI. hatte jedoch seinen Vorgänger immer wieder nachdrücklich gegen diesen Vorwurf verteidigt.

Aus Protest gegen die Rehabilitierung der Piusbrüder und speziell des Holocaust-Leugners Williamson trat jetzt der bekannte belgische Theologe und Ethiker Prof. Jean-Pierre Wils aus der Kirche aus. «Ich will nicht mehr mit dem anti-modernen, anti-pluralistischen und totalitären Geist dieser Kirche identifiziert werden», sagte der Professor, der in Deutschland lebt und an der katholischen Radboud- Universität im niederländischen Nijmegen unterrichtet, in einem Interview mit dem holländisch-katholischen Online-Magazin «Katholiek Nederland». Die Priesterbrüderschaft sei eine «extrem reaktionäre und zutiefst antisemitische Gruppe, die mit Diktatoren und rechtsgerichteten Regimen sympathisiere».