Malibu Solar Malibu Solar: Sonnenschutz-Fenster aus Osterweddingen
OSTERWEDDINGEN/MZ. - Häuser, die keine Energie mehr verbrauchen, sondern sich über Sonnenkolektoren selbst versorgen und zusätzlich noch Strom ins Netz einspeisen - und dies ganze ohne staatliche Subventionen. Helmut Stiebig und sein Team arbeiten daran, dass dies künftig möglich ist. Stiebig ist Forschungschef im Bereich Solar beim Fenster- und Fassadenspezialisten Schüco. Im Gewerbegebiet in Osterweddingen wird zwischen Brotfabriken und Pharmafirmen an der Energieversorgung von morgen gearbeitet.
2009 hat Schüco vor den Toren von Magdeburg eine neue Solarmodul-Fabrik eröffnet. 100 Millionen Euro wurden investiert. Doch bei der Schüco-Tochter Malibu werden nicht nur die Solarmodule hergestellt, wie man sie auf Äckern und Häusern sieht. "Wir fertigen auch die größten Fassaden-Module weltweit", so Stiebig. Bis zu sechs Quadratmeter groß sind die Teile, die auch als Fenster dienen.
Schüco ist in 75 Ländern präsent: So erhielten unter anderem das Hotel Grund Hyatt in Dubai, das Conferenc Center im spanischen Valencia oder das große Einkaufscenter Armada im türkischen Ankara eine Schüco-Glasfassade. Nun sollen auch Solar-Fenster in Gebäude integriert werden. Dies ist neu. "Wir bieten unseren Kunden sogenannte semitransparente Module an". sagt Stiebig. Das heißt, die riesigen Module können als normale Fenster verwendet werden. Denn sie lassen 20 Prozent des Lichts durch. "In Pilotprojekten gab es dies schon. In Osterweddingen wird dies industriell umgesetzt", so Stiebig. Noch ist die Liste der Referenzobjekte relativ klein: Im sauerländischen Meinerzhagen wurde die Fassade eines Bürohauses mit den Solarmodulen bestückt. Insgesamt gibt es derzeit etwa 20 Gebäude mit den neuen Solar-Fenstern.
Die Anwendungen sind nach Einschätzung des Forschungsleiters vor allem für Bauherren in sonnenreichen Ländern interessant. So gebe es schon Projekte in Italien. Schüco blicke auch auf den Markt im arabischen Raum. Mit dem richtigen Konzept könnten sich die Häuser nahezu selbst mit Energie versorgen. Und die Module sehen nicht nur schick aus und liefern Strom. Als zusätzlichen Vorteil bezeichnet Stiebig, dass die Solar-Fenster Sonnenschutz bieten. Dies sei auch ein Verkaufsargument: "Architekten achten sehr auf die Funktionalität der Häuser." Die Solarfenster sollen ein Exportschlager werden.
Zur Herstellung dieser Module ist jede Menge Know-how nötig. Täglich liefern Zulieferer per Lkw große Mengen Spezial-Glasscheiben zum Werk nach Osterweddingen. Über ein Transportband gelangen diese in die sogenannte Beschichtungsmaschine - das Herzstück des Werkes. Mit Hilfe eines Gases, so der Forschungschef, wird eine hauchdünne Siliziumschicht aufgebracht. Einen Mikrometer misst die Schicht. "Der Materialeinsatz ist dreihundert Mal geringer als bei kristallinen Siliziumzellen." Und so funktionieren die Dünnschichtmodule: Die Ober- und Unterseite des Siliziums wird chemisch behandelt. Dadurch entstehen eine positiv und eine negativ geladene Schicht - Chemiker sagen, die Schichten werden "dotiert". Die Elektronen versuchen ein Gleichgewicht herzustellen. Dazu müssen sie das Silizium überbrücken. Dies funktioniert nur, wenn das Silizium leitet - also wenn Licht auf die Zelle fällt. Erst dann können die Elektronen wandern: Strom fließt - wie in einer Batterie. Der Wirkungsgrad der Fenster-Module liegt laut Stiebig bei sechs Prozent. Das heißt vereinfacht gesagt, sechs Prozent der Sonnenenergie können in Strom umgewandelt werden. Ziel des Schüco-Forschungsteams ist es, den Wirkungsgrad zu erhöhen.
Die Anlage in Osterweddingen ist mit einer Kapazität von 40 Megawatt noch vergleichsweise klein. Schüco hat jedoch im Oktober 2010 im sächsischen Großröhrsdorf ein niegelnagelneues Dünnschicht-Werk des insolventen Herstellers Sunfilm gekauft. So soll die Kapazität auf 150 Megawatt steigen. Damit gehört Schüco in der noch jungen Branche bereits zu den größeren Mitspielern.
Doch ist dies für den weltweit agierenden Fenster- und Fassadenspezialisten aus Bielefeld (Nordrhein-Westfalen) wirklich die richtige Spielwiese? Hohe Investitionen sind nötig, um technologisch mitzuhalten. Stiebig lächelt: "Schüco-Inhaber Dirk Hindrichs ist von der Technologie überzeugt." Hindrichs Rechnung ist einfach: "Zukünftig werden Gebäude einen größeren Beitrag zum Klimaschutz leisten. Schließlich verbrauchen sie mehr als 30 Prozent der Energie allein in Deutschland", sagte Hindrichs bei der Grundsteinlegung des Werkes. Einfache Standardprodukte kauft Schüco nach wie vor von anderen Herstellern ein. "Bei Solarfenstern sind wir einer der wenigen Produzenten weltweit", so Stiebig. Dieser Vorsprung soll ausgebaut werden, denn die Nachfrage nach dem Produkt "Made in Sachsen-Anhalt" wächst rasant.