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Lohnhärterei Magdeburg Lohnhärterei Magdeburg: Der Herr der Riesenzahnräder

Von Annette Schneider-Solis 16.06.2012, 10:28
Arbeiter in Schutzanzügen manoevrieren in der Harms Lohnhaerterei GmbH in Magdeburg ein glühendes Zahnrad aus einem Brennofen. (FOTO: DAPD)
Arbeiter in Schutzanzügen manoevrieren in der Harms Lohnhaerterei GmbH in Magdeburg ein glühendes Zahnrad aus einem Brennofen. (FOTO: DAPD) dapd

Magdeburg/dapd. - Männer in silbernen Wärmeschutzmänteln lösen mit langen Eisenstangen die Verschlüsse des Glühofens. In dem liegt ein riesiges Zahnrad von fast fünf Metern Durchmesser. Bei 940 Grad, kurz unter dem Schmelzpunkt, wird der Stahl gehärtet. Ein Kran hebt den Deckel vom Ofen, Flammen schlagen hervor, Hitze wabert durch die Werkhalle. Ein zweiter Kran hebt das glühende Riesenzahnrad aus dem Ofen, lässt es langsam hinab in das Tauchbecken nebenan. Die Halle vibriert, der Lärm ist ohrenbetäubend.

850 Grad heiß ist das Zahnrad, wenn es das erste Mal in das Becken getaucht wird, in wenigen Minuten muss es auf 650 Grad abgekühlt werden. „Öl würde bei der gewaltigen Masse von 60 Tonnen anfangen zu brennen“, erklärt Peter Harms, der gemeinsam mit Partnern aus der Industrie das Verfahren entwickelt hat. „Wir benutzen Wasser mit Polymeren als Kühlmittel.“

Zufrieden beobachtet Gerhard Hansberg, was sich vor seinen Augen abspielt. Das Zahnrad hat seine Firma im Siegerland bestellt, die SMS Siemag. Es wurde in Italien hergestellt und soll später in einem Stahlwerk in Frankreich verbaut werden. Dort wird es 25 Zentimeter dicken, rotglühenden Stahl in zehn Zentimeter dünnes Blech verwandeln. Drei Millionen Newtonmeter werden dabei auf das Walzgut gebracht. „Es ist das größte Rad, das wir bisher gebaut haben“, sagt er.

Zwtl.: Lohnhärterei nach der Wende gegründet

Peter Harms hat zu DDR-Zeiten als Ingenieur im Walzwerksbau des SKET gearbeitet. Lange Jahre verbrachte er im Ausland, baute die riesigen Anlagen auf. „Wir wussten damals schon, dass die Getriebe größer werden mussten, aber wir waren noch nicht soweit.“ Nach der Wende nahm sich Harms der Entwicklung neuer Verfahren an, gründete 1990 seine Lohnhärterei. 25 Millionen Mark investierte er damals.

Bis heute hat er 30 Millionen Euro in seine Firma und in seine technischen Entwicklungen investiert und das Startkapital längst zurückgezahlt. Anfangs fuhr seine Frau den Kran, er den Stapler, beide wohnten über der Firma. Alle Gewinne flossen zurück in die Firma. „Deshalb bin ich auch nie reich geworden“, lacht Harms. „Wir können Räder mit einem Durchmesser von sechs Metern für holländische Metallmühlen veredeln. Größer werden die Räder nicht mehr.“

Zwtl.: Kunden aus aller Welt

Kunden aus aller Welt lassen ihre Bauteile in Magdeburg veredeln. Die Teile finden sich in Stahlwerken, in Metallmühlen, in Schiffen. 95 Prozent aller Tanker, die über die Weltmeere schippern, haben nach Harms' Angaben Getriebeteile im Bauch, die in Magdeburg gehärtet wurden. Neuere Fahrgastschiffe haben in ihrer Lenkung ein Kegelrad, das ebenfalls nur bei Harms in Magdeburg veredelt werden kann. „Ich hatte nicht mal Visitenkarten, die haben mich auch so gefunden“, erzählt der Unternehmer. Um die Zukunft ist ihm nicht bange, obwohl er weiß, dass die Konkurrenz versucht, sein Verfahren zu kopieren. Der Unternehmer ist gelassen. „Die Kunden haben langfristige Verträge mit mir. Ich bin jetzt 70, und mein Arbeitsleben werde ich wohl in Ruhe beenden können.“