Lebensversicherungen Lebensversicherungen: Niedrige Zinsen fressen Altersvorsorge
Berlin/MZ. - Die Kunden von Lebensversicherungen müssen sich auf niedrigere Ausschüttungen einstellen als vielfach fürs Alter eingeplant. Durch die extrem niedrigen Zinsen können zahlreiche Anbieter ihre Versprechen nicht halten, obwohl die Bundesregierung den garantierten Mindestzins seit 2000 von vier Prozent auf 1,75 Prozent mehr als halbiert hat. Inzwischen habe sich das Zinsumfeld weiter verschärft, heißt es in einem Papier des Bundesfinanzministeriums, das der MZ vorliegt. "Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass einzelne Unternehmen in Schwierigkeiten geraten können", wird darin gewarnt.
Auch große Konzerne gefährdet
Doch selbst bei den starken, gegen Belastungen gewappneten Firmen wie dem Marktführer Allianz werden die Sparer nicht auf die einst erhofften Erträge im Alter kommen. Dies drückt der Sachverständigenrat in seinem neuen Jahresgutachten so aus: "So haben Kapitalanleger und insbesondere Versicherungen zunehmend Probleme, ihre Anlageziele zu erreichen. Menschen, die ausschließlich oder überwiegend auf kapitalgedeckte Altersvorsorge angewiesen sind, müssen ihre Planungen für den Ruhestand revidieren."
Sie müssten also ihre Sparanstrengungen erhöhen, was viele nicht können. Oder sie werden im Ruhestand weniger Geld haben. Gerade die private Altersvorsorge, die Deutschlands Bürgern einen Lebensabend im Wohlstand sichern sollte, wird jetzt also zur Belastung.
Lebensversicherungen stecken die Euro ihrer Kunden überwiegend in Rentenpapiere wie Staatsanleihen, Pfandbriefe oder Unternehmensanleihen. Damit erzielten sie 2000 eine Rendite von 7,5 Prozent. Inzwischen sind es im Schnitt 3,9 Prozent. Seit Jahren verleiht die Europäische Zentralbank Geld zu extrem niedrigen Konditionen. Die Einbußen dadurch sind für die Assekuranzen weitaus schmerzlicher als die direkten Kosten der Euro-Krise, etwa durch Abschreibungen auf Griechenland-Kredite.
Aber selbst ein "Inflationsszenario" mit einem raschen Anstieg der Zinsen brächte Gefahren, warnt das Finanzministerium. Dann nämlich verlören die Niedrigzinspapiere im Bestand an Wert. Die Gesellschaften müssten Verluste hinnehmen und könnten ihre Überschussbeteiligung nicht erhöhen. Die Kunden würden ihre Verträge stornieren und die Schwierigkeiten der Versicherungen verschärfen.
Am besten abgesichert sind die Inhaber von alten Verträgen. Weil die Papiere oft eine sehr lange Laufzeit haben, können die Versicherer hier noch höhere Erträge erwirtschaften. Das müssen sie auch, weil für alte Verträge höhere Garantiezinsen gelten.
Alte Policen nicht umtauschen
Die Bundesregierung hat der Branche mehrfach geholfen. So senkte sie den Garantiezins. Zudem will die Koalition es erleichtern, dass die Unternehmen mehr von den Bewertungsreserven (Gewinnen durch Kapitalanlagen) für sich behalten dürfen und weniger abgeben müssen. Kritik übte der grüne Finanzpolitiker Gerhard Schick. Dies sei die vierte Entlastung für die Lebensversicherer, ohne dass genau dargelegt werde, was an Unterstützung wirklich nötig sei und zu wessen Lasten diese ginge, erklärt Schick.
Vor üblen Maschen warnte der Bund der Versicherten. Nach seinen Erkenntnissen versuchen Gesellschaften, ihre Kunden zum Tausch von alten Policen gegen neue Verträge mit schlechteren Renditen zu überreden. "Die Anleger sollten sich nicht verunsichern lassen", sagte Theo Pischke von der Zeitschrift Finanztest. Gerade bei alten Verträgen sei eine Kündigung fast immer ein schlechtes Geschäft.
Der Versicherungsverband GDV wies die Befürchtungen zurück. Die anhaltenden Niedrigzinsen seien eine Herausforderung, aber kein Grund für Alarmismus. Falsch sei die Behauptung, immer mehr Lebensversicherer könnten den Garantiezins nicht mehr in voller Höhe zahlen. "Die Lebensversicherung ist sicher", erklärte der GDV. Das erinnert fatal an die Zusage, mit der Norbert Blüm (CDU) vor zwei Jahrzehnten die Deutschen aufschreckte: "Die Rente ist sicher".