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Kultprodukt Kultprodukt: «Jamboree» kehrt zurück

Von Steffen Höhne 18.09.2006, 18:48

Bernburg/MZ. - Schon beim ersten Schritt in die Produktionshallen umfängt der süßlich-fruchtige Kaugummi-Geruch den Besucher. Zugleich werden verschwommen Erinnerungen an Weihnachten wach, als man noch Kind war und auf den Schokotellern die bunten Kaugummikugeln lagen. Dann schaltet sich der Verstand ein, doch beim besten Willen fehlt die Erinnerung, wann man "Jamboree" das letzte Mal gekaut hat. Eine gefühlte Ewigkeit.

Die seit 1978 vom damaligen VEB Beikowa Bernburg hergestellten Kugelkaugummis waren in der DDR im wahrsten Sinne ein Renner. Wer sie kaufen wollte, musste schnell in der Kaufhalle sein, um sie zu ergattern. Denn der Großteil der Produktion rollte auf den westeuropäischen Markt. Und so fiel es nach der Wende kaum auf, dass die Kaugummis nicht in den neuen, gut gefüllten Supermarktregalen lagen. Das soll sich nun ändern.

Neuer Betriebschef

Wer dieser Tage in Bernburg die Wohlgemuth Süßwaren GmbH besucht, sieht schon auf den ersten Blick: Hier tut sich etwas. Die Produktionshallen glänzen in frischer Farbe. Neu ist auch der Chef Siegfried Pfeiffer. Jahrelang leitete der 58-Jährige die Kamps-Großbäckerei in Halle, die im vergangenen Jahr nach einer Firmenübernahme geschlossen wurde. Nun soll Pfeiffer die Kaugummi-Marke "Jamboree" wieder zu neuem Glanz führen. Einige hunderttausend Euro hat der Unternehmer Thomas Wohlgemuth als neuer Eigentümer dafür investiert. Der Stuttgarter Großbäcker betrieb die Firma zunächst als Pächter, erst im vorigen Jahr kaufte er den Betrieb.

Als Betriebsleiter krempelte Pfeiffer zuerst die Produktion von Deutschlands einzigem Kugelkaugummi-Hersteller um. "Wir haben die Maschinen und die Produktionshallen modernisiert." In 64 aneinander gereihten Kupferdragierkesseln erhält die Kaugummimasse nun eine Zuckerglasur mit Farb- und Aromastoffen. "Es gibt eine feste Rezeptur, doch beim Verfahren braucht man ein geschicktes Händchen", sagt Birgit Plahl, die mit einem Eimer die Zuckerlösung nachgießt. Im Jahr 2005 produzierten die 26 Mitarbeiter rund 2 000 Tonnen Kaugummi. Aufgrund langjähriger Geschäftsbeziehungen wurde ein Großteil als Handelsmarken in 25 Länder geliefert. Doch auch auf dem Kaugummi-Markt herrscht globale Konkurrenz. Um zu bestehen, steht für Pfeiffer fest: "Wir müssen auf unserem Heimatmarkt stärker werden."

Die Wiederbelebung einer alten Ost-Marke ist nach Einschätzung der "Erfinder der Ostalgiewelle", der Berliner Werbefirma "Fritzsch & Mackat" mit Kunden wie Club-Cola, Cabinet Zigaretten und Köstritzer Schwarzbier nicht einfach. "Eine Traditionsmarke muss an positive Erinnerungen anknüpfen", sagt Alexander Mackat. Dabei müsse sie versuchen, einen Kult um das alte Produkt zu entwickeln. Gut gelungen sei dies bei den Marken "Vita-Cola" und "Rondo-Kaffee". Im Falle von Kaugummi sieht Mackat das Problem, dass die Käufer sehr jung sind und nichts mit dem alten Produkt verbinden. Jürgen Ernst, Marketingchef von Burger Knäcke aus Burg, hält eine Neubelebung dennoch für möglich: "Eine schon bekannte Marke, die auf Qualität setzt, kann sich leichter von Wettbewerbern absetzen."

Schwieriger Sprung

Einig sind sich beide Marketing-Experten, dass ein erfolgreiches Ost-Produkt heute nicht mehr zurückgewandt auftreten darf, sondern Neues in den Vordergrund stellen sollte. Nur so könne auch der schwierige Sprung in die westdeutschen Supermarktregale gelingen.

Am Image will Pfeiffer daher gründlich feilen. Bei der Einweihung der Produktion am 30. September wird neben dem Startschuss für "Jamboree" auch ein Werksverkauf eröffnet. Bernburg soll nicht nur Hochburg des Kugel-Kaugummis, sondern auch für neue Süßigkeiten werden.