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Krumbiegel kritisiert Schulen Krumbiegel kritisiert Schulen: "Prinzen"-Sänger: Ossis haben Demokratie nicht gelernt

20.11.2017, 09:33
Sebastian Krumbiegel ist der Meinung, dass Sachsens Schulsystem Schuld am Erstarken von Rechts ist.
Sebastian Krumbiegel ist der Meinung, dass Sachsens Schulsystem Schuld am Erstarken von Rechts ist. dpa-Zentralbild

Leipzig - Herr Krumbiegel, Sie sind ihrem Geburtsland Sachsen immer treu geblieben und engagieren sich seit Jahren gegen Rechts. Nun hat ausgerechnet hier die AfD bei der Bundestagswahl ihr bestes Ergebnis eingefahren. Zweifeln Sie manchmal an Sachsen?
Sebastian Krumbiegel:  An dem Bundesland Sachsen habe ich noch nie gezweifelt. Wenn, dann kann man an Landesregierungen zweifeln. Und an unserer bin ich manchmal schon ganz schön verzweifelt. Das Wahlergebnis ist auch ein Ergebnis von verfehlter Politik. Kurt Biedenkopf, der erste sächsische Ministerpräsident, sagte Anfang der 1990er Jahre, dass die Sachsen immun seien gegen Rechtsextremismus. Das war ein fataler Irrtum.

Wir haben schon lange vor dem gewarnt, was hier abgeht. Aber die unionsgeführte Regierung war die letzten 25 Jahre auf dem sprichwörtlichen rechten Auge blind und hat die fremdenfeindliche Entwicklung sogar befeuert. Wenn Ministerpräsident Tillich sagt, dass der Islam nicht zu Sachsen gehört, wenn Landtagspräsident Rösler sagt, wir bräuchten mehr nationale Wallungen, dann ist das nicht förderlich für eine gelungene Integration. Es muss klar sein, dass es keine Nestbeschmutzung ist, wenn man so etwas kritisiert.

Sebastian Krumbiegel beklagt fehlende politische Bildung in Ostdeutschland

Warum findet eine rechtsgerichtete Partei wie die AfD gerade im Osten so viel Unterstützung?
Sebastian Krumbiegel: Das hat unterschiedliche Gründe. Wir haben 40 Jahre unterschiedliche Sozialisierung, im Osten kaum Erfahrungen mit Ausländern, und es gab übersteigerte Hoffnungen auf das, was nach der Wiedervereinigung kommen würde. Im Westen höre ich ganz oft: „Ey, ihr Ossis, seid mal ein bisschen dankbar!“ Aber vielen Leuten im Osten ist die Vergangenheit geklaut worden. Sie haben das Gefühl, dass die 40 Jahre, die sie in der DDR gelebt haben, 40 verlorene, falsche Jahre waren. Dieses Gefühl wurde natürlich verstärkt durch Fehler, die gemacht worden sind: zum Beispiel von der Treuhand mit dem Ausverkauf des Ostens.

Und ein wichtiger Grund ist sicher auch die mangelnde politische Bildung. Du musst auch lernen, in einer Demokratie zu leben, und genau dazu hatten viele Ossis keine Gelegenheit. Und wenn in Sachsen ein Fach wie Gemeinschaftskunde erst ab der neunten Klasse unterrichtet wird, dann kommen Kids, die nach der achten abgehen, niemals in diesen Genuss.

Dass der Ost-West-Graben wieder so breit geworden ist, ärgert und befremdet mich massiv. Wir sollten einander wieder mehr zuhören und miteinander reden. Respekt ist der Schlüssel. Ich bin mittlerweile alt genug, um zu akzeptieren, dass es Menschen mit konservativen Einstellungen gibt. Vor 20 oder 30 Jahren hätte ich gesagt: „Mit dir rede ich doch gar nicht.“ Heute sage ich: „Ich hab zwar eine andere Meinung, aber trotzdem möchte ich gerne mit dir reden.“

In Ihrem Lied „Deutschland“ heißt es: „Wir sind das freundlichste Volk auf dieser Welt.“ Können Sie diese Zeile heute noch unbefangen singen - angesichts von Gewalt bei G20, Hasstiraden gegen Politiker, Anschlägen auf Flüchtlingsheime?

Sebastian Krumbiegel: Dieses Lied hat mittlerweile eine Aktualität bekommen, die es damals 2001 gar nicht so hatte. „Es kann jeder hier wohnen, dem es gefällt, wir sind das freundlichste Volk auf dieser Welt.“ Das hat die Flüchtlingsdebatte vorweggenommen. Da hat die Zeit das Lied eingeholt. Man sollte schon wissen, dass das keine patriotische Jubelhymne ist. Wer das nicht checkt, dem ist auch nicht mehr zu helfen. Ich singe unser „Deutschland“-Lied jedenfalls nach wie vor voller Inbrunst.

ZUR PERSON: Sebastian Krumbiegel, 51, ist Mitglied der deutschen A-cappella-Band „Die Prinzen“. Als Kind sang der gebürtige Leipziger im renommierten Thomanerchor. Seit Jahren engagiert er sich gegen Rechtsextremismus und organisierte Protestaktionen gegen das islamkritische „Legida“-Bündnis mit. „Die Prinzen“ gehen Anfang 2018 mit einem großen Sinfonieorchester auf Tour. (mz/dpa)