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Krenz streitet DDR-Schießbefehl weiter ab

13.08.2007, 05:42

Berlin/dpa. - Inmitten einer neuen Diskussion über einen Schießbefehl an der früheren innerdeutschen Grenze wird heute in Berlin an den Bau der Mauer vor 46 Jahren erinnert. Am 13. August 1961 hatte die DDR mit der Abriegelung der Grenzen zu West-Berlin begonnen und damit die deutsche Teilung besiegelt.

Erst mehr als 28 Jahre später am 9. November 1989 ging die Teilung mit dem Fall der Mauer zu Ende. Die Zahl getöteter DDR-Flüchtlinge liegt nach Angaben des Potsdamer Zentrums für Zeithistorische Forschung zwischen 270 und 780. Allein in Berlin bezahlten nach neuen Erkenntnissen 133 Menschen zwischen 1961 und 1989 den Versuch die DDR zu verlassen mit ihrem Leben.

Am Wochenende hatte der Fund eines uneingeschränkten Stasi-Schießbefehls auf DDR-Flüchtlinge für Wirbel gesorgt. Das Dokument ordnete unverzügliches Schießen auf Flüchtlinge an, selbst wenn diese in Begleitung von Kindern waren. Der frühere DDR-Staatschef Egon Krenz streitet dennoch weiter ab, dass es einen solchen Befehl gab. «Es hat einen Tötungsbefehl, oder wie Sie es nennen «Schießbefehl», nicht gegeben. Das weiß ich nicht aus Akten, das weiß ich aus eigenem Erleben. So ein Befehl hätte den Gesetzen der DDR auch widersprochen», sagte Krenz der «Bild»-Zeitung.

Die Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, will untersuchen, ob das nun öffentlich gemachte Dokument für strafrechtliche Ermittlungen von Bedeutung ist. Es «beschreibt eine Befehlslage, nicht die Durchführung einer Tötung, was Voraussetzung für eine Strafverfolgung wäre», sagte Birthler der «Berliner Zeitung» (Montag). «Es ist kein Befehl, der sich an die Grenzsoldaten richtete, sondern ein Befehl an eine besondere Stasi-Einheit, die die Fahnenflucht von Soldaten mit allen Mitteln verhindern sollte.»

Der Bürgerrechtler und letzte DDR-Verteidigungsminister Rainer Eppelmann (CDU) meinte, der Fund müsse Anlass sein, «die umbenannte SED nach ihrem Schuldeingeständnis zu fragen». Der Fund sei überraschend. «Dass das Grenzregime grausam und faschistoid war, das war bekannt», sagte Eppelmann der «Mitteldeutschen Zeitung».

Bodo Ramelow, Vize-Fraktionschef der Linken im Bundestag, kritisierte die Birthler-Behörde dagegen scharf: Er könne nur mit Kopfschütteln registrieren, dass die Behörde der Öffentlichkeit nun selbst längst bekannte Dokumente als vermeintliche, sensationelle Geheimakten präsentiere, um ihre Arbeit zu rechtfertigen, sagte er der in Erfurt erscheinenden «Thüringer Allgemeinen».

Der frühere DDR-Bürgerrechtler Werner Schulze sieht sich bestätigt: «Dass es einen Schießbefehl gab, wurde ja nur noch von Anhängern des SED-Regimes geleugnet», sagte er der «Neuen Presse». Für ihn stelle sich die Frage, wie viele der Verantwortlichen noch zur Rechenschaft gezogen werden könnten: «In Italien werden bis heute noch Täter bestraft, die Ende des Zweiten Weltkriegs für Hinrichtungen verantwortlich waren. Und die Erschießungen von Flüchtlingen an der Mauer waren nichts anderes als Hinrichtungen», fügte der Grünen-Politiker hinzu.

Der sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Arnold Vaatz betonte in der «Leipziger Volkszeitung», der Sachverhalt sei schon lange bekannt. «Aber mit diesem Fund wird deutlich, dass die Versuche, die von Seiten der PDS, der heutigen Linken, insbesondere von der kommunistischen Plattform, immer wieder unternommen worden sind, die Existenz des Schießbefehls prinzipiell abzustreiten, ein Lügengebilde waren.»