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Kosovo erklärt seine Unabhängigkeit

17.02.2008, 20:27

Pristina/dpa. - Das Kosovo ist der jüngste Staat Europas. Ungeachtet heftiger Proteste Serbiens rief das Parlament der fast nur noch von Albanern bewohnten Provinz am Sonntag die Unabhängigkeit aus.

Während die Menschen auf den Straßen der Hauptstadt Pristina noch in den Abendstunden die Loslösung von Serbien begeistert feierten, wurde in New York der UN- Sicherheitsrat zu einer Sondersitzung einberufen. Die Sitzung kam auf Drängen Russlands zustande, das die Abspaltung des Kosovos von Serbien ebenso ablehnt wie China. An der Sitzung wird auch Serbiens Präsident Boris Tadic teilnehmen.

In Belgrad griffen unterdessen hunderte Jugendliche die Botschaften der USA und Sloweniens an. Die Zusammenstöße mit Bereitschaftspolizei forderten einige Dutzend Verletzte, darunter viele Polizisten und Journalisten. An den Botschaftsgebäuden entstand erheblicher Sachschaden. Die Randalierer zündeten Autos und Mülleimer an, demolierten ein «McDonald's»-Restaurant und plünderten Getränke und Zigaretten aus Kiosken.

Die serbische Regierung verurteilte die Unabhängigkeitserklärung als null und nichtig. Ministerpräsident Vojislav Kostunica bekräftigte, dass sein Land die Unabhängigkeit nie anerkennen und niemals die Ansprüche auf das Kosovo aufgeben werde. Es handele sich um einen «falschen Staat, der unter der Militärkontrolle der USA steht», sagte Kostunica in einer vom Fernsehen übertragenen Ansprache. «Die Gewaltpolitik der USA hat nicht Serbien, sondern die EU erniedrigt», sagte er in Anspielung auf die führende Rolle Washingtons bei den Vorbereitungen der Kosovo-Unabhängigkeit.

Demgegenüber wird die Europäische Union (EU) noch im Februar mit der Entsendung von 1900 Experten zur Hilfe beim Aufbau des neuen Staates beginnen. Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) forderte von allen Beteiligten Ruhe und Augenmaß. Auch die USA haben die Führungen des Kosovos und Serbiens zur Zurückhaltung und Besonnenheit aufgerufen.

Die albanischen Abgeordneten des Parlaments in der Hauptstadt Pristina votierten einstimmig für eine von der Regierung vorgeschlagene Deklaration. «Wir erklären, dass Kosovo ein unabhängiger, souveräner und demokratischer Staat ist», lautet die zentrale Aussage. Mit knapp 11 000 Quadratkilometern ist das Kosovo etwa halb so groß wie Mecklenburg-Vorpommern. Der neue Staat hat 2,1 Millionen Einwohner, die zu 95 Prozent von Albanern gestellt werden.

Sein Land werde alle Auflagen für einen weitgehenden Schutz der rund 100000 Menschen umfassenden serbischen Minderheit erfüllen und weiter mit den Vereinten Nationen und der EU zusammenarbeiten, sagte Regierungschef Hashim Thaci. «Wir wollen die volle Mitgliedschaft in der EU», sagte und appellierte an die NATO, die 17 000 Soldaten umfassende Schutztruppe KFOR im Kosovo zu belassen. «Auf diesen Tag haben wir so lange gewartet», sagte Thaci den Abgeordneten, die der Erklärung stehend zuhörten und rhythmisch applaudierten.

Für Bundesaußenminister Steinmeier hat die Stabilität auf dem Balkan höchste Priorität. Dies erfordere von allen Beteiligten in den nächsten Tagen Ruhe und Augenmaß, erklärte Steinmeier am Sonntag in Berlin nach einem Telefonat mit seinen Kollegen aus Slowenien und Serbien, Dimitrij Rupel und Vuk Jeremic. Die Außenminister hätten ausdrücklich jede Form von Gewalt abgelehnt, hieß es in der Mitteilung des Auswärtigen Amtes.

In Pristina und anderen Kosovo-Städten hatten schon vor der offiziellen Unabhängigkeitserklärung Hunderttausende den neuen Staat bejubelt. Die Menschen tanzten in den Straßen, schwenkten albanische, amerikanische und europäische Fahnen und zeigten mit Transparenten ihre Freude. Zahlreiche Restaurants und Kneipen verteilten kostenlos Hamburger und Getränke. Mehrere Personen seien durch streuende Freudenschüsse verletzt, gab die Polizei bekannt. Andere Zwischenfälle gab es nicht. Auch die Landsleute im benachbarten Albanien und Mazedonien veranstalteten Feiern. Die mit Spannung erwartete Sitzung des Kosovo-Parlaments wurde mit Video-Leinwänden auf die zentralen Stadtplätze übertragen.

Die EU-Regierungen hatten bereits in der Nacht zum Samstag der Entsendung von 1900 Polizisten und Juristen in das Kosovo zugestimmt. Die Union sucht an diesem Montag nach einer gemeinsamen Haltung zum unabhängigen Kosovo-Staat. Bei einem Treffen der 27 EU-Außenminister in Brüssel erwarten Diplomaten «kontroverse Diskussionen» um eine Erklärung, mit der die Union zur Unabhängigkeitserklärung Stellung nehmen will.

Vor allem einige EU-Mitglieder mit Minderheiten-Problemen lehnen die Anerkennung des Kosovos grundsätzlich oder zumindest zum derzeitigen Zeitpunkt ab. Sie wollen auch keine EU-Erklärung, die als Anerkennung der abtrünnigen serbischen Provinz durch die EU gedeutet werden könne. Dies sind vor allem Zypern, Griechenland, Spanien, die Slowakei und Rumänien.

Inzwischen haben sich Tadic, Kostunica und Tomislav Nikolic, Chef der oppositionellen extrem nationalistischen Radikalen (SRS) am Sonntagabend geeinigt, für diesen Donnerstag eine Großdemonstration in Belgrad zu veranstalten.