Konflikt im Kaukasus: Georgien macht mobil
Moskau/Tiflis/dpa. - Mit einer massiven Militäroffensive hat die Kaukasusrepublik Georgien große Teile ihrer abtrünnigen Region Südossetien unter ihre Kontrolle gebracht. Beobachter sprachen von einem neuen Krieg mit Kampfjets und Panzern im Kaukasus.
Dutzende Menschen seien getötet und verletzt worden. Der georgische Präsident Michail Saakaschwili ordnete am Freitag die allgemeine Mobilmachung im Land an, nachdem er noch am Vorabend eine Feuerpause verhängt hatte. Er warf Südossetien vor, die Waffenruhe gebrochen zu haben. «Hunderttausende Georgier sollten jetzt zusammenstehen und ihr Land retten», sagte Saakaschwili im Fernsehen in Tiflis. Russland drohte Gegenmaßnahmen an.
NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer reagierte «ernstlich besorgt» auf die Ereignisse. Das Bündnis verfolge die Entwicklung der Lage genau, teilte de Hoop Scheffer am Freitag in Brüssel mit. Er rief alle Beteiligten auf, die bewaffneten Zusammenstöße zu beenden und direkte Gespräche aufzunehmen. Auch der Europarat forderte einen sofortigen Waffenstillstand. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen konnte sich in einer Dringlichkeitssitzung nicht auf eine gemeinsame Linie zum Konflikt zwischen Georgien und Südossetien einigen.
Georgische Truppen begannen am Freitag laut Medienberichten, mit Panzern die südossetische Hauptstadt Zchinwali zu stürmen. «Ein großer Teil Zchinwalis ist nun befreit, und die Kampfhandlungen gehen weiter», sagte Saakaschwili. Laut unbestätigten Medienberichten hatten georgische Soldaten zwei Drittel der kleinen Bergregion eingenommen. Der russische Regierungschef Wladimir Putin verurteilte auf einer China-Reise die Angriffe georgischer Truppen. Das prorussische Südossetien gehört völkerrechtlich zu Georgien.
Die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) müsse angemessen auf die georgische Aggression reagieren, um weiteres Blutvergießen zu verhindern, sagte Putin vor Eröffnung der Olympischen Spiele in Peking. Russland hat in Südossetien Friedenstruppen stationiert. Dagegen forderte Saakaschwili Russland eindringlich auf, sich aus dem Konflikt herauszuhalten. Moskau dementierte Medienberichte aus Tiflis, nach denen russische Kampfjets mit der Bombardierung georgischer Provinzen begonnen hätten.
Augenzeugen berichteten von verheerenden Zerstörungen in Zchinwali. Krankenhäuser, Verwaltungsgebäude und Einrichtungen der Friedenstruppen seien in Schutt und Asche gelegt worden. Zunächst war unklar, wie viele Menschen bei den Gefechten ums Leben kamen oder verletzt wurden. Kremlchef Dmitri Medwedew rief in Moskau den nationalen Sicherheitsrat zu einer Sondersitzung zusammen, um Maßnahmen zu erörtern. Südossetien hatte Russland offiziell um ein militärisches Eingreifen ersucht, um die Bevölkerung zu schützen.
Moskau hatte den Großteil der Einwohner in Südossetien in den vergangenen Jahren mit russischen Pässen ausgestattet. Georgien warf Russland daraufhin vor, das völkerrechtlich zu Tiflis gehörende Südossetien annektieren zu wollen. Der südossetische Präsident Eduard Kokojty hatte wie die ebenfalls abtrünnige Region Abchasien eine international anerkannte Unabhängigkeit nach dem Kosovo-Vorbild gefordert. Abchasien bot Südossetien Militärhilfe an. Russland hatte stets erklärt, dass die Anerkennung der ehemaligen serbischen Provinz Kosovo für die Territorialkonflikte in der früheren Sowjetunion nicht folgenlos bleiben könne.
Südossetien hatte in den vergangenen Tagen mehrere tausend Menschen in benachbarte russische Regionen in Sicherheit gebracht, unter ihnen hunderte Kinder. In der Region nahe der südossetischen Hauptstadt kamen bei den schwersten Auseinandersetzungen seit Jahren zuletzt mehrere Menschen ums Leben, Dutzende wurden verletzt.
Südossetien, das etwa eineinhalb Mal so groß wie das Saarland ist, hatte zu Sowjetzeiten weitgehende Autonomie über die eigene Sprache und Bildung. Der Widerstand georgischer Nationalisten mündete allerdings in einen blutigen Militärkonflikt Anfang der 90er Jahre. Georgien und Russland schlossen 1992 ein Waffenstillstandsabkommen, in dessen Folge auch die Schaffung einer Gemischten Kontrollkommission mit je 500 russischen, georgischen und nordossetischen Soldaten vereinbart wurde. Das Abkommen hielt aber nur bis 2004. Im Juli und August 2004 starben dutzende Menschen bei Gefechten in der Konfliktzone.