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Klimagipfel endet mit Eklat: Wut und Empörung

Von Dorothée Junkers 19.12.2009, 07:11

Kopenhagen/dpa. - Putsch-Atmosphäre im Klima-Plenum: Vermutlich hatte der dänische Regierungschef und Konferenzleiter Lars Løkke Rasmussen befürchtet, dass die nächtliche Plenarsitzung nicht ganz reibungslos verlaufen würde, aber so viel Wut und Empörung einiger Delegierter hatte er wohl nicht erwartet.

Nach zwölftägigen zähen Verhandlungen auf dem Kopenhagener Klimagipfel, nach vielen Pannen und organisatorischen Fehlern der Gastgeber endete der Mammut-Gipfel in der Nacht zum Samstag mit einem Eklat.

Vor allem die Delegierten mehrerer Entwicklungsländer machten deutlich, dass ihnen die Art und Weise, wie ihnen die Klimaeinigung präsentiert wurde, absolut nicht passte. Sie hatten das - auch nach Ansicht mancher Beobachter nicht ganz unberechtigte - Gefühl, die Großen und Mächtigen unter der Führung der USA hätten den Deal in den Hinterzimmern des riesigen Kopenhagener «Bella Centers» ausgemacht. Und nun sollten sie den Text nur noch durchwinken.

Rasmussen hatte das Plenum in der Nacht - Stunden nach Bekanntgabe der Einigung - eröffnet und wollte die Leitung wohl offensichtlich schnell an einen Stellvertreter übertragen. Doch dazu kam es nicht. Der Delegierte des kleinen, vom Anstieg des Meerespegel bedrohten Inselstaats Tuvalu bekam die Chance, das Wort zu ergreifen, und er nutzte sie für einen flammenden Appell.

Ian Fry kritisierte das Abkommen schonungslos als Makulatur. Statt einer unverbindlichen Festlegung auf 2 Grad müsse die Staatengemeinschaft festschreiben, dass die Temperatur höchstens 1,5 Grad steigen dürfe, verlangte er. Sonst sei sein Staat dem Untergang geweiht. Die Gelder, die die Industriestaaten den Entwicklungsländern zur Anpassung an den Klimawandel in Aussicht stellten, bezeichnete er unter dem Applaus der Delegierten als «30 Silberlinge, um unser Volk und unsere Zukunft zu verraten».

Kaum hatte er geendet, ergriffen die linksgerichteten Lateinamerikaner das Wort. Die Delegierte von Venezuela sprach von einem «Staatsstreich» gegen den Geist der Vereinten Nationen. Der bolivianische Delegierte schimpfte über die «diktatorische» Weise, wie den Delegierten das Papier nur kurz zur Abstimmung präsentiert worden sei. Ähnlich äußerten sich Kuba und Costa Rica. Bei allen war klar zu spüren, dass sie mit ihren Attacken vor allem die USA meinten.

Als der US-Delegierte zwischendrin versuchte, das Ruder herumzureißen, unterbrach ihn der Delegierte von Nicaragua mit einem Störmanöver und brachte den sichtlich überforderten Rasmussen dazu, ihm das Wort zu erteilen. «So etwas habe ich noch nie gesehen», hörte man immer wieder staunende Beobachter im Kongresszentrum rufen.

Als der ohnehin umstrittene sudanesische Chef-Unterhändler und Sprecher der Entwicklungsländer (G77), Lumumba Stanislaus Di-Aping, erklärte, das Abkommen bedeute den Tod vieler Afrikaner und es mit dem Holocaust verglich, ging ein Raunen durch den Saal. Der britische Delegierte sprach von einem «ekelhaften» Vergleich. Er sprach angesichts der Proteste im Plenum von einer ernsten Krise. Die Delegierten hätten nun die Wahl, ein nicht ganz perfektes Abkommen zu unterstützen oder nach dem Willen des Sudan die Konferenz zugrunde gehen zu lassen. Seine Rede wurde mit langem Applaus bedacht.