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Keine Schnapsidee Keine Schnapsidee: «Wessi» verlegte Firmensitz in den Osten

Von Arno Schütze 11.02.2004, 10:52
In großer Geschwindigkeit laufen Flaschen mit Hochprozentigem unter den wachsamen Blicken von Anlagenbedienerin Mandy Kolar über das Band in der Altenburger Destillerie & Liqueurfabrik GmbH. (Foto: dpa)
In großer Geschwindigkeit laufen Flaschen mit Hochprozentigem unter den wachsamen Blicken von Anlagenbedienerin Mandy Kolar über das Band in der Altenburger Destillerie & Liqueurfabrik GmbH. (Foto: dpa) dpa

Altenburg/dpa. - Viele hielten die Entscheidung des westdeutschen Unternehmers Dietrich Hueck für eine Schnapsidee. Doch der Likörfabrikant bereut seine Entscheidung nicht. «Für mich war von Anfang an klar: Altenburg wird die Unternehmenszentrale», sagt der Geschäftsführer der Altenburger Destillerie & Liqueurfabrik GmbH Hueck. Dafür schloss er die Betriebsstätte des Familienunternehmens Heydt in Ascheberg (Westfalen), entließ dort alle Beschäftigten bis auf einige Vertriebsmitarbeiter.

«Das ist die große Ausnahme», sagt der Thüringer Geschäftsführer des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft Günther Richter. «Normalerweise führen westdeutsche Firmen übernommene Betriebe in den neuen Bundesländern nur als Filialbetriebe». Für die Branche ungewöhnlich ist auch, dass die Likörfabrik mit mittlerweile 60 Beschäftigten seit acht Jahren zweistellige Wachstumsraten aufweist. «Die Branche ist im vergangenen Jahr geschrumpft, aber wir haben unseren Umsatz um zehn Prozent auf 100 Millionen Euro gesteigert», sagt Hueck. In diesem Jahr erwartet er 5 Prozent Wachstum.

Wodka machte den Anfang. «Anfang der 90er Jahre gab es Engpässe in der Wodka-Produktion in Russland», erinnert sich die Altenburger Produktionsleiterin Christa Iprach, die 1965 in der VEB Altenburger Likörfabrik anfing. Über alte Verbindungen bekam der Ostthüringer Betrieb einen Großauftrag, den er aber nicht allein bewältigen konnte. Die Firma aus Westfalen sprang ein. «Damit war die Verbindung da», sagt Hueck. Als der russische Durst gestillt war, fehlten der Altenburger Destillerie Folgeaufträge.

Hueck kaufte das kurz vor der Insolvenz stehende Werk 1996 von der Treuhand. Zwei Millionen Euro kosteten ihn die alten Produktionshallen, in die er seitdem über sechs Millionen Euro investierte. «Die Lagerhalle ist gerade fertig geworden. Da gehen über eine Million Flaschen rein.» Auch die Abfüllanlagen gehören zu den neuesten Modellen, die es auf dem Markt gibt. «Der Lohnkostenanteil an der Produktion ist sehr gering», sagt Hueck über das ständige Klirren hunderter Flaschen hinweg. Maschinen erledigen die meiste Arbeit. Für den Geschäftsmann war die Investition im Osten nicht nur eine «Herzenssache». Sie wurde auch mit öffentlichen Geldern gefördert. «Die Mitarbeiter sind hier genau so qualifiziert wie im Westen», sagt er.

Bis zu 100 000 Flaschen werden täglich mit Kirsch-, Vanille- oder Lakritzlikör gefüllt. An manchen Tage ist die herbe Schiene angesagt, etwa das Vorzeigeprodukt «Schwarzgebrannter», «Kimme und Korn» oder der Traditionsschnaps «Altenburger Klarer». In den Fabrikhallen hängt ein starker Alkoholdunst. Gebrannt wird der «Sprit» in der Destillerie allerdings nicht. «Wir kaufen Rohalkohol, mischen ihn mit Wasser, Zucker und Kräuterextraken, Gewürzen und füllen ihn ab», beschreibt Iprach den Produktionsprozess.

«120 verschiedene Produkte haben wir im Angebot», sagt Hueck. Neue Sorten ausdenken ist Chefsache, auch wenn Ideen immer wieder aus dem Team kommen. «Kürzlich saß ich in Leipzig im Café und habe gestaunt, wie viele Kaffee-Sorten die servieren.» Kurz darauf entwarf er einen «Latte Macchiato» und einen «Espresso Forza Liqueur».

Rund eine Million Euro gibt die Firma dafür aus, die Marken in Gaststätten und Supermärkten zu etablieren. Eine im Firmendesign gestaltete Trabbi-Flotte mit «Liqueur-Flasche» auf dem Dach ist Teil des Marketings. Likör schreibt die Firma dabei immer mit Q. Hueck sagt: «Sonst klingt das doch so nach zähen, zuckrigen Kirschlikör - ein Albtraum für die Jugend.»