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Keine Rettungschance für Nokia-Standort Bochum

17.01.2008, 16:35

Helsinki/Bochum/dpa. - Keine Hoffnung für die Bochumer Nokia- Beschäftigten: Der finnische Handy-Weltmarktführer schließt Verhandlungen über eine Weiterführung seines deutschen Werkes mit 2300 Beschäftigten aus.

Das sagte Unternehmenssprecherin Arja Suominen der dpa am Donnerstag in Helsinki zu entsprechenden Rettungsversuchen des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Jürgen Rüttgers (CDU). «Wir haben sehr sorgfältige Analysen der Kosten und der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit des Bochumer Werkes durchgeführt. Die Entscheidung zur Schließung ist genau durchdacht», betonte Suominen.

Die Arbeit im letzten deutschen Handywerk lief unterdessen am Donnerstag wieder an. Arbeitsniederlegungen sind zunächst nicht geplant. Der Betriebsrat beschloss, die Leiharbeiter wieder herein zu lassen, da die Firmenleitung Engpässe bei der Produktion befürchtete. «Bevor wir alles kaputt schlagen, wollen wir nochmals mit Finnland reden», sagte die Betriebsratsvorsitzende Gisela Achenbach. Sollte Nokia aber zu keinen Gesprächen bereit sein, drohen Betriebsrat und IG Metall mit Arbeitsniederlegungen.

Der Geschäftsführer von Nokia in Deutschland kündigte für die kommende Woche Gespräche mit dem Betriebsrat an. Es solle beraten werden, was für die Mitarbeiter in Bochum getan werden könne. «Dabei wird es sicher auch um Abfindungen und die Gründung einer Auffanggesellschaft gehen», sagte Goll der «Bild»-Zeitung. Ziel sei, so viele Mitarbeiter wie möglich in neue Jobs bei anderen Firmen in der Region unterzubringen. Über Sozialpläne will die Arbeitnehmerseite derzeit aber nicht reden. Sie plant kommenden Dienstag eine Großdemonstration.

Ministerpräsident Rüttgers pochte unterdessen auf eine Erklärung, warum der Konzern Gespräche über eine Weiterführung des Handy-Werks in Bochum ausschließt. «Wenn Nokia meint, die Entscheidung sei so klar, werden sie uns das erklären können», sagte Rüttgers.

Über die Ankündigung von Rüttgers, persönlich mit dem Nokia- Spitzenmanagement in Helsinki über Möglichkeiten zur Weiterführung der Produktion sprechen zu wollen, sagte die Konzernsprecherin: «Wir sind natürlich schon in Kontakt mit verschiedenen Beteiligten, darunter auch Regierungsvertretern, und werden auch in Zukunft den Dialog und den Austausch von Meinungen mit Vertretern der Bundes- und Landesregierung über unsere Schließungspläne und deren Umsetzung fortsetzen.» Sie wolle über den Inhalt von Gesprächen «nicht spekulieren». Aus Regierungskreisen in Düsseldorf hieß es, dass es bereits erste Gespräche zwischen dem Wirtschaftsministerium und der deutschen Nokia-Geschäftsführung gegeben habe.

Die Bundesregierung will bei einem Spitzentreffen mit dem Nokia- Management die angekündigte Schließung des Bochumer Werks erörtern. Es sei ein Treffen verabredet worden, das in Kürze in Berlin stattfinden werde, sagte Wirtschaftsstaatssekretär Hartmut Schauerte der dpa. Daran würden «hohe Entscheidungsträger von Nokia» und die NRW- Wirtschaftsministerin Christa Thoben (CDU) teilnehmen. Die Bundesregierung gehe ohne Vorbedingungen oder Forderungen in das Gespräch.

Nokia setzte sich unterdessen gegen den in Deutschland breit erhobenen Vorwurf des Subventionsbetrugs oder -missbrauchs zur Wehr. «Wir haben in den 90er Jahren 55,5 Millionen Euro direkt für den Umbau von Bochum von einer TV- zu einer Handyfabrik erhalten und alle daraus erwachsenen Verpflichtungen erfüllt.» Nokia müsse als Unternehmen immer auf die Erhaltung seiner langfristigen Wettbewerbsfähigkeit achten. Nokia-Sprecherin Suominen sagte dazu weiter: «Es ist so, dass nur ein profitables Unternehmen auf lange Sicht für seine Beschäftigten sorgen kann.»

Suominen wollte keine Zahlen zu der Frage nennen, um wie viel teurer Bochum gegenüber dem neuen Standort Cluj in Rumänien sowie den ebenfalls noch in Europa produzierenden Handy-Werken in Ungarn und Finnland ist. Man könne aber nicht leugnen, dass das deutsche Werk abgesehen von den Rohstoffen in Sachen direkte und indirekte Arbeitskosten höher liege. Es gebe «absolut keine Pläne», die noch vorhandene Produktion im Stammland im Werk Salo in Billiglohnländer zu verlagern. Die EU unterstrich am Donnerstag, dass beim Umzug von Nokias Bochumer Handy-Fabrik nach Rumänien kein EU-Geld im Spiel sei.

Der Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), Ulrich Blum erklärte, abgewanderte Unternehmen kehrten häufiger aus Qualitätsgründen nach Deutschland zurück. Entscheidend seien meist Qualitätsprobleme in den jeweiligen Ländern. Das Qualitätsbewusstsein sei bei den dortigen Arbeitnehmern mitunter nicht so ausgeprägt wie in Deutschland. Blum betonte, er sehe nicht, dass allein geringere Lohnkosten an anderen Standorten Hauptauslöser für den Weggang von Unternehmen sind. Wenn aber etwa Nokia vor einem neuen technologischen Zyklus stehe, «werden sie die erforderliche Investition dann nicht am alten Standort machen, wenn ein neuer langfristig bessere Perspektiven bietet.»