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Käserei Seelow Käserei Seelow: Firma findet Gefallen an «zickiger» Stadt

11.01.2004, 15:59
Die Betriebsleiterin Kerstin Rutter von der Käserei Seelow GmbH zeigt verschiedene Käsesorten aus Ziegenmilch. Zusätzlich zum bisherigen Produktionsprofil soll im brandenburgischen Seelow die Verarbeitung von Ziegenmilch wieder aufgenommen werden. (Foto: dpa)
Die Betriebsleiterin Kerstin Rutter von der Käserei Seelow GmbH zeigt verschiedene Käsesorten aus Ziegenmilch. Zusätzlich zum bisherigen Produktionsprofil soll im brandenburgischen Seelow die Verarbeitung von Ziegenmilch wieder aufgenommen werden. (Foto: dpa) ZB

Seelow/dpa. - Wie weiße, hohe Torten rollen die Käselaibe vom Band. Dann teilt ein Automat den Schimmelkäse in Tortenstücke und verpackt sie. In der Halle ist es kühl - so, wie es der Käse braucht. In den Kellergewölben der Käserei Seelow GmbH reift der Blauschimmelkäse "Blue Master" sechs Wochen lang. Das aus Kuhmilch gewonnene Rohprodukt kommt aus dem sächsischen Falkenhain ins Oderbruch.

"Hier wird er gesalzen, pikiert, verpackt und verschickt", beschreibt Geschäftsführer Wolfram Ebert den weiteren Werdegang der Spezialität in Seelow (Märkisch-Oderland). Vom dem einstigen "DDR- Roquefort" werden jährlich noch rund 270 Tonnen produziert. Vor dreieinhalb Jahren hatte die Feinkäserei Zimmermann aus Falkenhain den "Blue-Master"-Betrieb von einer holländischen Firma gekauft.

"Wir wollen in Seelow die Milchverarbeitung und insbesondere die Verarbeitung von Ziegenmilch wieder aufnehmen", erläutert Ebert, der mit seiner Frau Ulrike auch dem Werk in Sachsen vorsteht. Derzeit werde die Milch noch in Falkenhain verarbeitet; von April an soll dies wieder in Seelow geschehen. Dann ist die Herstellung von Weichkäse-Spezialitäten aus Kuh- und Ziegenmilch geplant.

Ebert knüpft mit der Produktpalette bewusst an die Tradition an. Denn: Die Stadt Seelow und Ziegen sind eng verbunden. In dem Ackerbürgerstädtchen gehörten die Tiere zu Beginn des 19. Jahrhunderts zum Alltag. "Es herrschte große Armut", erinnert der Volkskundler Reinhard Schmook an die alten Zeiten. Die Bürger konnten sich zwar keine Kühe leisten, dafür aber Ziegen, für die damals keine Steuern zu zahlen waren.

In der rund 1500 Einwohner zählenden Stadt liefen einst die Ziegen frei umher und waren nicht zu überhören. Wer von außerhalb zum Markt nach Seelow kam, rümpfte schon bald die Nase über "Zicken- Seelow". "Das war keineswegs ein Schimpfwort", erklärt Schmook. Doch habe sich die ursprünglich positive Bezeichnung ins Gegenteil verkehrt.

Was viele seinerzeit als Schmach empfanden, ließ sich die Stadt inzwischen patentieren. Der Name "Zicken-Seelow" ist geschützt und soll als Werbegag Touristen in das ruhige Oderbruch locken. Die Kommune wirbt mit dem Ziegen-Logo für sich: Taschen, T-Shirts, Socken und Schlipse tragen das Symbol. "Wir denken an die Zukunft", sagt Bürgermeister Udo Schulz (SPD) und setzt dabei auch auf Ziegenkäse aus "Zicken-Seelow". "Nach dem Krieg hatte meine Familie noch selbst drei Ziegen im Stall."

Camembert und Frischkäse, verziert mit einem Ziegenkopf und der Aufschrift "Ziegenkäse aus Zicken-Seelow" sind bereits im Handel. Außerdem laufe ein Versuch, auch "Blue Master" aus Ziegenmilch zu produzieren, sagt Unternehmer Ebert. Als er sich in Seelow einkaufte, hatte er von "Zicken-Seelow" nie gehört. Erst der Bürgermeister half ihm auf die Sprünge.

"Die Idee haben wir gern aufgegriffen", berichtet Ebert. 2003 stellte er einen Riesen-Ziegenkäse auf der Grünen Woche vor. "Da steht auch die Stadt dahinter, dass etwas getan wird." Dem 48-jährigen Firmen-Chef kommt zugute, dass es für Ziegenmilch keine Quote gibt. Sie liefern Landwirte aus Brandenburg und Sachsen, wo daraus beispielsweise der "Altenburger Ziegenkäse" und "Geißkäse" werden.

Rund 150000 Euro sollen in Seelow für eine Produktionsanlage für Weichkäse investiert werden. Noch hat Ebert das Unternehmen mit seinen acht Mitarbeitern nicht in die Gewinnzone geführt, hofft es aber nun über die Herstellung von Spezialitäten und die eigene Milchverarbeitung zu schaffen. Dabei setzt er auf den Geschmack der Verbraucher und ist sicher: Der Trend gehe zu hundertprozentigem Ziegenkäse.