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Karstadt-Mutter Arcandor ist pleite

09.06.2009, 13:09

Berlin/Essen/dpa. - Die Karstadt-Mutter Arcandor ist pleite. Dem Konzern um die traditionsreiche Kaufhaus-Kette Karstadt droht 128 Jahre nach der Gründung des ersten Hauses die Zerschlagung.

Arcandor stellte am Dienstag Insolvenzantrag für die Arcandor AG sowie die Töchter Karstadt Warenhaus GmbH, die Primondo GmbH und die Quelle GmbH. Damit bangen nun 43 000 Beschäftigte um ihren Arbeitsplatz.

Für Kunden soll es keine Einschränkungen geben. «Alle Geschäfte laufen ungehindert weiter», sagte Arcandor-Sprecher Gerd Koslowski. Garantien, Anzahlungen oder Rückgaberechte würden nicht angetastet. Für die Beschäftigten seien die Gehaltszahlungen bis August gesichert.

Bundeskanzlerin Angela Merkel verteidigte die Entscheidung der Regierung, Arcandor keine staatliche Hilfe gewähren. Nach Angaben von Insolvenzrechts-Experte Prof. Hans Haarmeyer geht es um die größte Pleite in Deutschland: «Solch ein Verfahren in dieser Größenordnung hat es in Deutschland noch nicht gegeben.»

Arcandor-Konkurrent Metro arbeitet weiter mit Hochdruck an der Gründung einer Deutschen Warenhaus AG mit seinen Kaufhof-Häusern und Karstadt. «An unserem Konzept zur Übernahme von etwa 60 Karstadt- Standorten und damit zur Rettung der großen Mehrheit der Arbeitsplätze halten wir unverändert fest», sagte Metro-Sprecher Michael Inacker. Metro habe ein großes Interesse an einer schnellen Lösung zu kommen, damit die Rettung der Warenhäuser nicht durch die Insolvenz bei Arcandor verzögert werde. Am Wochenende hatte auch die Hamburger Otto Group Interesse an Teilen des Arcandor-Konzerns signalisiert.

Der REWE-Konzern ist ebenfalls an Teilen von Arcandor interessiert. Das Unternehmen betreibe in 50 Karstadt-Warenhäusern Perfetto-Märkte und es sei schade, wenn diese Feinkostgeschäfte geschlossen würden, sagte REWE-Chef Alain Caparros in Köln. Bei einem möglichen Verkauf der profitablen Arcandor- Tourismustochter Thomas Cook würde auch REWE eine Übernahme prüfen.

Ausdrücklich teilte Arcandor mit, dass die Arcandor-Töchter Thomas Cook Group plc, die Primondo-Specialty Group GmbH mit ihren Tochter- und Beteiligungsgesellschaften sowie der Homeshopping-Sender HSE24 vom Insolvenzantrag unberührt seien. Vorläufiger Insolvenzverwalter soll nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur aus Unternehmenskreisen der Insolvenzspezialist Horst Piepenburg werden.

Nach den Worten von Koslowski will sich das Unternehmen über das Insolvenzverfahren sanieren und den Fortbestand sichern. Die Haupteigentümer würden sich unverändert zum Fortbestand des Unternehmens bekennen.

Merkel sah in dem Insolvenzantrag von Arcandor auch eine Chance, dass in dem Unternehmen durch ein Zusammengehen mit dem Handelskonkurrenten Metro Beschäftigung erhalten werden könne. Der Metro-Konzern hatte bereits am Montagabend Gesprächsbereitschaft auch im Falle einer Insolvenz erklärt. Das Konzept funktioniere auch mit einer insolventen Karstadt-Kette, hieß es aus Unternehmenskreisen. Metro hatte bisher vorgeschlagen, 60 der 90 Karstadt-Häuser zu erhalten.

Am Montag hatte der Bund die beantragte Rettungsbeihilfe über 437 Millionen Euro abgelehnt. «Uns waren die Zusagen der Gläubiger und Eigentümer absolut nicht genug, um sich für Arcandor zu engagieren. Wir haben aber auch auf die Steuergelder zu achten», sagte Merkel am Dienstag. Die Arcandor-Spitze hatte zwar in der Nacht zum Dienstag noch mit allen Beteiligten verhandelt, aber auf den angekündigten neuen Antrag auf Staatshilfe verzichtet. An diesem Freitag läuft eine Kreditlinie von 650 Millionen Euro aus.

Beim Versandunternehmen Quelle wurde die Nachricht vom Insolvenzantrag mit Fassungslosigkeit und Entsetzen aufgenommen. «Das ist der Super-GAU», sagte der Gesamtbetriebsratsvorsitzende Ernst Sindel. «Schockierend» nannte Quelle-Sprecher Manfred Gawlas die Entwicklung. Welche Folgen die Insolvenz für Quelle mit seinen 8000 Mitarbeitern haben werde, sei derzeit völlig unklar. (dpa)