Jürgen Rüttgers: Der «schwarze Arbeiterführer»
Düsseldorf/dpa. - Nach 39 Oppositionsjahren hatte Jürgen Rüttgers die CDU bei der Landtagswahl 2005 zurück an die Macht geführt. Für seinen Triumph fand er anschließend eine plakative Erklärung. «Der Vorsitzende der Arbeiterpartei in Nordrhein-Westfalen bin ich», bekannte Rüttgers damals stolz.
Deshalb setzte er als Ministerpräsident darauf, sich die Zustimmung der SPD-Klientel zu erhalten. Zeitweise tauchte sein Name bei Umfragen auf der Liste der bekanntesten Sozialdemokraten an Rhein und Ruhr auf.
So sehr Rüttgers vor fünf Jahren jubeln konnte, so bitter war der Wahlsonntag für ihn. Er musste die Verantwortung für das schlechteste Ergebnis übernehmen, dass die CDU je bei einer Landtagswahl in NRW erzielte. «Ich persönlich trage die Verantwortung, die politische Verantwortung für dieses Ergebnis. Und ich will sie auch tragen», sagte er am Wahlabend.
In Düsseldorf verfolgte Rüttgers fünf Jahre lang eine zweigleisige Politik. Mit der FDP unterschrieb er einen Koalitionsvertrag unter dem Leitmotto «Privat vor Staat». Die schwarz-gelbe Regierung beschnitt die wirtschaftlichen Tätigkeiten der Kommunen, schränkte die Mitbestimmung im öffentlichen Dienst ein und setzte den Ausstieg aus den Steinkohlesubventionen durch. Gewerkschaften und SPD liefen vergeblich Sturm gegen diese Politik.
Gleichzeitig schärfte Rüttgers sein Image als sozialer Kümmerer. Er geißelte «Lebenslügen» der Union in der Steuer- und Arbeitsmarktpolitik, setzte zum Entsetzen des CDU-Wirtschaftsflügels ein längeres Arbeitslosengeld I für langjährig Beschäftigte durch und forderte höhere Renten für Geringverdiener. Ein schlechtes Wahlergebnis beim CDU-Bundesparteitag nahm Rüttgers in Kauf.
Rüttgers versteht sich als Sachwalter des «Rheinischen Kapitalismus» - einer Marktwirtschaft mit starker sozialer Seite. Ausdrücklich umwirbt er die «Johannes-Rau-Wähler», die aus seiner Sicht in einer nach links driftenden SPD keine Heimat mehr finden. Oft hilflos mussten die Sozialdemokraten ansehen, wie sich Rüttgers als Erbe des legendären NRW-Landesvaters inszenierte.
Wie Rau bemühte sich Rüttgers, parteiübergreifend alle in seine Politik einzubinden. Regelmäßig traf er sich mit den Spitzen der Arbeitgeber und des Deutschen Gewerkschaftsbundes und heimste anschließend Lob von beiden Seiten ein. Um markige Worte ist Rüttgers selten verlegen. Das Management des Opel-Mutterkonzerns General Motors nannte er «das hässliche Gesicht des Turbokapitalismus».
Bisweilen rutschen ihm aber unbedachte Äußerungen heraus. So trug im Landtagswahlkampf 2000 sein umstrittener Vergleich «Kinder-statt- Inder» dazu bei, dass sein erster Griff nach dem Amt des NRW- Ministerpräsidenten misslang. Im vergangenen Jahr sorgte Rüttgers mit einer Tirade über rumänische Arbeiter («Sie kommen und gehen, wann sie wollen, und sie wissen nicht, was sie tun.») für Schlagzeilen. In diesem Wahlkampf hatte er mit dubiosen Finanzpraktiken seines CDU-Landesverbands zu kämpfen.
Rüttgers wurde am 25. Juni 1951 als Sohn eines Elektromeisters in Köln geboren. Nach Jurastudium (Fachgebiet Wasserrecht) und Arbeit in der Kommunalverwaltung schaffte er 1987 den Einzug in den Bundestag. Kanzler Helmut Kohl (CDU) machte ihn 1994 zum «Zukunftsminister» für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie. Die NRW-CDU führt er seit 1999. In der Bundespartei ist der Vater von drei Söhnen seit 2000 Vize-Vorsitzender.