Hintergrund Hintergrund: «Stadt der Engel» wird zur Hölle für gestrandete Touristen
Singapur/dpa. - Hunderttausende Thailand-Liebhaber dürften dieserTage ihren Augen kaum trauen, wenn sie die Bilder aus Bangkoksehen: zwei gestürmte und besetzte Flughäfen, tausende Besetzer inden Terminals, in der Stadt Granatattacken - was ist aus der «Stadtder Engel», wie Bangkok übersetzt heißt, geworden? Eines derbeliebtesten Touristenziele in Südostasien ist praktisch von derAußenwelt abgeschnitten. Geduld und Wohlwollen derer, die festsitzen,werden auf eine harte Probe gestellt.
Mehr als 100 000 Touristen und Geschäftsleute sind gestrandet,seit Regierungsgegner am Dienstagabend den internationalen Flughafenund später auch den alten Airport Don Mueang überrannt haben und denVerkehr lahmlegen. Nicht alle hatten so viel Glück im Unglück, wieder dänische Kronprinz Frederik und seine Frau Mary. Die beidenwurden Ende der Woche mit einem Privatjet evakuiert. Für die meistenheißt es: Frust und Warten.
Ein deutscher Abiturient, der nach einem humanitären Einsatz inThailand zu seinen Eltern nach Singapur fliegen wollte, ergattertenach zwei Tagen ein Busticket. «Wir haben einen Platz!» schrieb ererleichtert aus einem Reisebus per SMS an seine Eltern, ehe dieHandybatterie den Geist aufgab. 25 Stunden Fahrt lagen vor ihm.
Gemma France aus Großbritannien wollte nach einem Urlaub inSüdthailand von Bangkok aus zurückfliegen, als zunächst ihr Flug indie Hauptstadt ausfiel. Mit einem Nachtzug und per Taxi kämpfte siesich durch, erzählte sie der BBC. Dann hieß es, ihr Rückflug startein Kürze aus Pattaya 100 Kilometer südlich von Bangkok. «Wenn wir dasnicht schaffen, sieht es düster aus», sagte sie. «Es hieß: 3000 Leutestehen auf der Warteliste.» Die Kanadierin Susan DeSimone sorgte sichum ihren Vater Jiggs: «Er ist in einer Rentnergruppe, die Leute haben30 Tage Rundreise hinter sich, sind müde und wollen nach Hause.»
Für die Thailänder ist die Schließung des wichtigsten Tors zurWelt ein logistischer Albtraum mit unüberschaubarem Imageschaden.Am Samstag versprach Tourismusminister Weerasak Kohsuratgestrandeten Besuchern umgerechnet 44 Euro pro Tag. «Ich rufe alleThailänder auf, den Ausländern zu helfen, das wäre eine guteGelegenheit, unsere Freundschaft zu demonstrieren», sagte er noch.
Die Regierung hat den Militärstützpunkt U-Tapao 150 Kilometersüdöstlich von Bangkok für den kommerziellen Verkehr freigegeben.Doch hapert es dort an allem: Schaltern, Passkontrollen,Gepäcktransport. «Wir raten unseren Gästen zu Geduld», teilteSingapore Airlines mit, die Gestrandete mit zwei täglichen Flügen ausU-Tapao herrausholt. «Die Einrichtungen sind sehr rudimentär, es gibtlange Wartezeiten.» Das Einchecken geht neuerdings aushilfsweise inBangkoker Hotels.
Doch dann kommt die nächste Geduldsprobe: Die Zufahrtsstraßen nachU-Tapao sind mit 2000 Bussen, die 10 000 bis 15 000 Passagieretransportieren, verstopft. Auch die Flughäfen in Chiang Mai 600Kilometer nördlich und Phuket 800 Kilometer südlich von Bangkokwerden aufgerüstet. Die Behörden haben zusätzliche Gepäcktransporterund fahrbare Treppen auf den Weg gebracht, damit mehr Flügeabgefertigt werden können.
Die deutsche Botschaft in Bangkok hat auf ihrer Webseite diewichtigsten Hotlines der Fluggesellschaften veröffentlicht. «DieseSituation ist für Reisende sehr unangenehm und belastend, aber beiBeachtung der Reise- und Sicherheitshinweise der Botschaft nichtgefährlich», heißt es da.
Am besetzten Suvarnabhumi-Flughafen herrschte unterdessen fastFeststimmung. Demonstranten campierten dort mit Feldbetten undGaskochern, und vor dem Terminal war eine Bühne aufgebaut, auf derRockgruppen den Besetzern die Zeit vertrieben. Der stellvertretendeRegierungschef Olarn Chaipravat fürchtet derweil einen verheerendenBesuchereinbruch, von 14,5 Millionen Touristen im vergangenen auf nurnoch sechs bis sieben Millionen im nächsten Jahr. Damit seien eineMillion Arbeitsplätze in Gefahr.