Hintergrund Hintergrund: Pressestimmen zum Armutsbericht
Die «Westfälische Nachrichten» verteidigt die Politik:
Bei der Suche nach den Armutsursachen stößt man natürlich auf die Folgen staatlicher Gesetzgebung (z.B. Hartz IV), aber eben auch auf gänzlich private Lebensentscheidungen und -situationen wie Trennung, Scheidung, Überschuldung, abgebrochene oder fehlende Schul- und Berufsausbildung. Der Politik sind hier weitgehend die Hände gebunden Schuldzuweisungen also fehl am Platz. Das Hauptarmutsrisiko bleibt die Arbeitslosigkeit besonders dann, wenn es Eltern trifft. Hier liegt der Schlüssel zur wirksamen Bekämpfung der Armut; die Politik sollte auch deshalb das Geschwafel über die Vollbeschäftigung einstellen.
Die «Westdeutsche Zeitung» prangert die Linke und weitere Sozialpolitiker an:
Die einfachen Antworten zur wachsenden Armut in Deutschland mögen verführerisch sein. Richtig sind sie deshalb nicht. Wer wie die Linke oder auch manche Sozialpolitiker von CDU und SPD die Hartz-IV-Bezüge aufstocken will, belastet vor allem die Mittelschicht, die diese Leistungen aufbringen muss. Zudem würde es sich für eine steigende Zahl von Menschen nicht mehr lohnen, einer Beschäftigung nachzugehen, statt selbst Sozial- oder Arbeitslosenhilfe in Anspruch zu nehmen und sich im boomenden Schwarzarbeitsmarkt den Lebensunterhalt abzugsfrei aufzubessern.
Die «Thüringer Allgemeine» findet, dass zu wenig passiert:
Weniger für die Armen. Nichts für die Mitte. Mehr für die Reichen. Das ist kein Merksatz der Kapitalismuskritik aus einem verstaubten Heftchen des SED-Parteilehrjahrs, sondern der Extrakt des Armutsberichts der Bundesregierung 2008. Und obwohl alle wissen, welchen sozialen und politischen Sprengstoff dieser Zustand enthält, passiert wenig. Die Gesellschaft bröckelt immer mehr auseinander, mit den üblichen Folgen einer Polarisierung an den Rändern.
Die «Neue Osnabrücker Zeitung» sieht die Bildung als eine wichtige Grundlage:
Der Armuts- und Reichtumsbericht der Regierung stellt eine Mahnung zum Handeln dar. Bessere frühkindliche Erziehung, mehr Lehrer, gut ausgestattete Unis sind Forderungen, deren Erfüllung Erfolg verspricht. Denn auf Bildung baut alles auf. Sie ist das Fundament dafür, dass Armut gar nicht erst entsteht - oder es gelingt, sich daraus zu befreien. Dies sollten vor allem jene Politiker beachten, die gegenwärtig wieder in die Spendierhosen schlüpfen wollen. So sinnvoll es sein mag, den Bundesbürgern «mehr netto vom Brutto» zu geben - noch wichtiger ist es, überhaupt ein selbst erarbeitetes Nettoeinkommen zu haben und nicht anderen zur Last zu fallen.
Die «Nürnberger Nachrichten» ist gespannt auf die Folgen des Berichtes:
Spannend ist die Frage, welche Folgen der neue Armutsbericht haben wird. Wenn ihn die Parteien nur nutzen, um sich selbst zu bestätigen, dann wäre das ein Armutszeugnis für die Politik. Sie hat nicht weniger zu erfüllen als Vorgaben der Verfassung. Im Grundgesetz ist immerhin die Rede davon, dass die Bundesrepublik ein Sozialstaat ist (der mit sozialem Ausgleich die Kluft zumindest zu verringern versucht). Oder von der anzustrebenden Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse. Und davon, dass Eigentum verpflichtet. Wenn sich die Realität zusehends von den Vorgaben der Verfassung verabschiedet, dann besteht Handlungsbedarf.