Hausgerätewerk Nürnberg Hausgerätewerk Nürnberg: 150 Millionen Euro Sterbegeld für AEG-Arbeiter

Nürnberg/dpa. - Mit dem höchsten bisher in Deutschland vereinbarten Sozialtarifvertrag haben die IG Metall und der Electrolux-Konzern den AEG-Konflikt nach hartem Arbeitskampf über fünfeinhalb Wochen beigelegt. Beide Seiten einigten sich nach rund 14-stündigen Verhandlungen am Dienstagmorgen in München auf Abfindungen und Qualifizierungsmaßnahmen im Volumen von 150 Millionen Euro für die 1700 Beschäftigten des AEG-Hausgerätewerks in Nürnberg, das bis Ende 2007 geschlossen wird.
Beide Seiten äußerten sich zufrieden über die Vereinbarung, derdie seit dem 20. Januar streikenden Beschäftigten noch zustimmenmüssen. Die Urabstimmung darüber soll am Donnerstag und Freitagstattfinden. Frühestens am kommenden Montag kann nach Angaben derMetall die Arbeit im AEG-Werk wieder aufgenommen werden.
IG Metall-Verhandlungsführer Werner Neugebauer sagte, der Streikhabe sich gelohnt. «Herausgekommen ist der beste Sozialtarifvertrag,der je abgeschlossen wurde.» Für die Region sei das Ergebnis dennochschlecht, da die Arbeitsplätze wegfielen. Die IG Metall habe um denErhalt des Werks gekämpft. «Aber leider war das nicht machbar.» IG-Metall-Streikleiter Jürgen Wechsler räumte ein, dass das Hauptziel,die Schließung zu verhindern, nicht erreicht worden sei. Dennochkönne sich das Resultat bundesweit sehen lassen.
Electrolux-Europachef Horst Winkler sprach von einem teuren Paket.«Wir sind bis an die Schmerzgrenze gegangen.» Jeder Mitarbeitererhalte im Durchschnitt 90 000 Euro. «Die Vereinbarung ist ein gutesInstrument, um die Beschäftigten auf ihre teils schwere Zukunftvorzubereiten», erklärte Winkler. Die Entlassungen würden in«Vierteljahresblöcken» erfolgen. Den durch den Arbeitskampfentstandenen Imageschaden für das Unternehmen und die Marke könne manerst nach Monaten beurteilen, sagte Winkler. Electrolux wolle allestun, damit die «Premiummarke AEG» das Vertrauen der Kundenzurückgewinne.
Kernpunkt des Sozialtarifvertrags, der unter Vermittlung des Bahn-Vorstandes und langjährigen bayerischen Wirtschaftsministers OttoWiesheu (CSU) zu Stande gekommen war, ist eine Abfindungszahlung inHöhe von 1,8 Monatsgehältern je Beschäftigungsjahr. Das Unternehmenhatte ursprünglich 0,7 Monatsgehälter geboten, die Forderung der IGMetall lag zuletzt bei 2,7 Monatsgehältern. Die Abfindungen werdennicht bei 130 000 Euro gedeckelt, wie Electrolux ursprünglichgefordert hatte. Die gekündigten Mitarbeiter werden für die Dauereines Jahres in eine Beschäftigungsgesellschaft übernommen. FürBeschäftigte ab 53 Jahren greift eine Vorruhestandsregelung, bei derder Konzern die Leistungen auf bis zu 85 Prozent einesMonatseinkommens aufstockt.
AEG-Betriebsratschef Harald Dix nannte die Vereinbarungen«hervorragend». Abfindungen und Vorruhestandsregelung seien sehrgroßzügig. Auch IG-Metall-Vize Berthold Huber sprach von einem gutenErgebnis. Der Erhalt der Arbeitsplätze sei «an der Rigorosität derArbeitgeberseite gescheitert». Nürnbergs Oberbürgermeister UlrichMaly (SPD) sagte mit Verweis auf die Schließung, es handle sich umeinen Erfolg, «der traurig macht».
Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) erklärte,bei AEG sei es nicht nur um einen Tarifkonflikt gegangen. «Hier zeigtsich die Kehrseite der Globalisierung.» Für Electrolux erklärte JohanBygge, der zuständige Vorstand für das Hausgerätegeschäft in Europa,man gehe davon aus, dass die gesamten Schließungskosten bei etwa 240Millionen Euro liegen würden. «Es hat sich bestätigt, dassBetriebsschließungen in Deutschland eine sehr teure Angelegenheitsind verglichen mit anderen Ländern.»
Die Vereinbarung sieht des weiteren vor, dass für die vier aus derAEG ausgegliederten Service-Gesellschaften Logistik, Vertrieb,Ersatzteile und Kundendienst ein Haustarifvertrag auf Basis desMetalltarifs vereinbart wird. Für diese GmbHs wurde zudem eineStandortgarantie bis Ende 2009 vereinbart. Dagegen gab Electroluxkeine Garantie für das AEG-Herde-Werk in Rothenburg ob der Tauber mit1300 Beschäftigten. Jedoch soll über eine Beschäftigungssicherung bisEnde 2009 verhandelt werden.
Electrolux hatte im Juni 2005 damit begonnen, die Schließung destraditionsreichen AEG-Stammwerks vorzubereiten. Trotz vielfältigerProteste hatte der Konzern-Aufsichtsrat im Dezember entschieden, dasWerk zu schließen und die Produktion von Waschmaschinen undGeschirrspülern nach Polen und Italien zu verlagern.

