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Handy-Konzern Handy-Konzern: Nokia schließt nach Bochum nun auch Ulm

Von Daniel Baumann 14.06.2012, 18:35
Das Forschungszentrum des Mobiltelefonherstellers Nokia am Donnerstag (14.06.2012) in Ulm spiegelt sich in einem Autodach. (FOTO: DPA)
Das Forschungszentrum des Mobiltelefonherstellers Nokia am Donnerstag (14.06.2012) in Ulm spiegelt sich in einem Autodach. (FOTO: DPA) dpa

Berlin/MZ. - Begonnen hat bei Nokia alles in den unendlichen Weiten der finnischen Wälder. Mit der Herstellung von Papierprodukten ging es los. Es folgten zu Beginn des 20. Jahrhunderts Gummistiefel und Fahrradreifen, und schließlich wurde das Unternehmen mit seinen beliebten Handys weltbekannt. Und nun? Markiert der Erfolgsbringer jetzt auch das Ende, oder stellt Nokia abermals seine Wandlungsfähigkeit unter Beweis und schafft es, sich aus seiner Krise zu befreien?

Mit einem radikalen Umbau versucht Chef Stephen Elop das Unternehmen zu retten. Das trifft die Mitarbeiter hart: Weltweit sollen weitere 10 000 Stellen entfallen. In Deutschland gehen 730 Arbeitsplätze verloren, knapp die Hälfte der 1 500 Stellen, die es hierzulande bei Nokia noch gibt. Die Streichungen treffen das Nokia-Forschungszentrum Ulm, das zu Ende September geschlossen werden soll, wie ein Firmensprecher sagte. Dutzende Mitarbeiter versammelten sich Donnerstagmorgen spontan vor dem Gebäude auf dem Ulmer Eselsberg, um sich zu beraten.

Das Aus für Ulm erfolgt auf den Monat genau vier Jahre nach der Schließung der Produktion in Bochum, wo über 3 000 Arbeitsplätze verloren gingen. Damit ist Nokia in Deutschland jetzt nur noch mit einem nennenswerten Standort in der Bundeshauptstadt vertreten. Die dortigen Mitarbeiter können vorerst aufatmen. Sie bleiben bis auf Weiteres von dem Stellenabbau verschont.

Der Ulmer Oberbürgermeister Ivo Gönner reagierte verärgert auf die geplante Schließung des Nokia-Standorts . "Das ist ein großer Fehler", sagte er. "Wer am Markt punkten will, muss neue Produkte entwickeln." Noch vor Kurzem sei darüber gesprochen worden, das Forschungszentrum auszubauen. Doch nun will Nokia die Projekte, die in Ulm entwickelt wurden, einstellen.

Fast 18 Jahre nachdem sich die Finnen in der Donaustadt niedergelassen haben, verabschieden sie sich wieder. Wie der Stellenabbau in Ulm umgesetzt werden soll, blieb zunächst offen. "Da kann ich noch nichts zu sagen", sagte ein Sprecher auf die Frage, ob es Abfindungen, betriebsbedingte Kündigungen oder einen Mix aus beidem geben solle. Beratungen mit dem Betriebsrat seien geplant. Kein Stein bleibt mehr auf dem anderen bei Nokia. Auch die Standorte im kanadischen Burnaby und im finnischen Salo werden geschlossen. Anfang 2011 hatten noch 132 000 Mitarbeiter für das Unternehmen gearbeitet. Seither hat Nokia den Abbau von insgesamt mehr als 40 000 Stellen bekanntgegeben. Auch das Management wird radikal umgebaut.

So verhalten sich nur Unternehmen, die mit letzten Mitteln um ihre Existenz kämpfen. Der Stellenabbau sei nötig, um Kosten zu sparen und langfristig die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten, erklärte Nokia-Chef Elop. Dazu müssten Personal abgebaut und Standorte geschlossen werden. Um 1,6 Milliarden Euro will Elop mit dem neuerlichen Jobabbau ab Ende 2013 die jährlichen Kosten reduzieren.

Das ist auch bitter nötig, denn die Geschäftszahlen des Unternehmens sind tiefrot. Der Umsatz ging im vergangenen Jahr um neun Prozent zurück, der Verlust vor Steuern belief sich auf 1,2 Milliarden Euro. Und im neuen Geschäftsjahr hat sich die Situation nicht verbessert. Im Gegenteil: In den ersten drei Monaten des Jahres ging der Umsatz fast 30 Prozent zurück im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Der Verlust vervierfachte sich fast auf 1,6 Milliarden Euro.

Bei den Konsumenten sind die Nokia-Geräte nicht mehr angesagt. "Nur" noch 83 Millionen Handys wurden verkauft. Der niedrigste Wert seit sechs Jahren. Vor allem bei den vergleichsweise teuren und begehrten Smartphones liegt Nokia gegen Apple mit dem iPhone und Samsung mit dem Galaxy zurück.

Die Anleger haben das Unternehmen bereits fallen lassen. Am Donnerstag ging der Aktienkurs zeitweise über neun Prozent in die Tiefe. Kostete die Nokia-Aktie vor vier Jahren noch 27 Euro, so war das Papier am Nachmittag für gut zwei Euro zu bekommen.

Nun muss sich Nokia neu erfinden. Das kann eigentlich nur mit hochqualifiziertem und gut gelauntem Personal gelingen. Denn das Unternehmen braucht wieder Geräte, die den Geschmack und die Wünsche der Kundschaft treffen. Zu häufig hat Nokia in der Vergangenheit am Markt vorbei produziert. Insbesondere in den Schwellenländern traf das Unternehmen nicht den Nerv der Zeit. Bei Nokia ist die Zeit gekommen - für eine neue Idee.