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Halberstädter Würstchen Halberstädter Würstchen: «Als Tochter möchte ich lieber Lob»

Von STEFFEN HÖHNE 14.04.2010, 17:59

HALBERSTADT/MZ. - Jeden Dienstagmittag trifft sich Silke Erdmann-Nitsch mit ihrem Vater Ulrich und Bruder Stefan zur Verkostung. "Dann probieren wir eine Reihe unserer Produkte", sagt die Geschäftsführerin der Halberstädter Würstchen- und Konservenvertriebs GmbH. Zwar werde die Qualität der Halberstädter täglich in der Produktion geprüft. "Wir wollen uns aber auch immer selbst ein Bild machen", sagt sie. Hat sie Würstchen nicht langsam über? "Nein. Bisher schmecken mir unsere Würstchen sehr gut."

Silke Erdmann-Nitsch steht seit Ende März 2010 zusammen mit ihrem Bruder an der Spitze des Traditionsunternehmens, das 1896 von Friedrich Heine gegründet wurde. Sie ist damit eine der wenigen Frauen, die in Sachsen-Anhalt eine große Firma leiten. Sie sitzt im holzgetäfelten Sitzungssaal, in dem auch ein Porträtgemälde des Gründers hängt. Die Unternehmerin spricht leise, aber bestimmt. Alles strahlt die gediegene Seriosität eines mittelständischen Familienunternehmens aus. Halberstädter Würstchen steht vor allem für eine erfolgreiche Ost-Marke, die es nach der Wende geschafft hat, in die Regale der großen Handelsketten zu kommen. "Dieses Image hat uns geholfen, reicht aber heute nicht mehr aus", sagt die Firmenchefin.

Unternehmerin wollte Erdmann-Nitsch, die aus Lehrte in Niedersachsen stammt, eigentlich nicht werden. Nach einer Ausbildung zur Steuerfachgehilfin studierte sie Jura. Nach dem Examen entschied sie sich aber gegen eine Rechtsanwaltskarriere. "Ich könnte niemanden verteidigen, von dessen Schuld ich überzeugt bin." Also stieg sie in das Familienunternehmen ein.

Ihr Vater, der Kaufmann und Metzgermeister Ulrich Nitsch, übernahm 1992 Halberstädter und führte die Marke zu neuen Erfolgen. Bereits seit 2002 arbeitet die Juristin in der Geschäftsführung. "Die Möglichkeit eine Firma mit 250 Mitarbeitern zu führen, war verlockend." Dabei spricht sie unumwunden darüber, dass es in einem Familien-Unternehmen Vor- und Nachteile gibt. "Ich kann viel von meinem Vater lernen", sagt sie. "Als Geschäftsführerin werde ich aber auch kritisiert. Als Tochter möchte ich vom Vater lieber Lob."

Die Trennung von Privatem und Beruflichem sei mitunter nicht immer einfach. Da sei es auch notwendig, sich eine dickere Haut zuzulegen. An ihrer eher diplomatischen Art zu führen, will sie aber nichts ändern. "Ich knalle nicht mit der Faust auf den Tisch. Dies würde mir keiner abnehmen", sagt sie. "Als Verantwortliche für den Vertrieb benötige ich sowieso eher die Diplomatie." Von daher könne jede Firma nur profitieren, wenn auch Frauen in der Führung sind. Für eine Frauenquote in Unternehmen ist Erdmann-Nitsch deswegen nicht. "Es ist für Frauen nicht einfach, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen", so die Mutter von zwei kleinen Kindern.

Viele Frauen würden daher lieber in der zweiten Reihe bleiben, auch wenn sich Aufstiegschancen bieten. In einem Familien-Unternehmen seien dabei viele Dinge etwas einfacher zu regeln. Als angestellte Managerin in einem Konzern könnten Frauen auf ihre Termine eher selten Einfluss nehmen.

Sehr viel Zeit wird Erdmann-Nitsch künftig für ihre Kinder aber wohl auch nicht haben. Sie steht vor einigen Herausforderungen. Seit drei Jahren verzeichnet Halberstädter ein Absatz- und Ertragstief. Im vorigen Jahr gab es Kurzarbeit. "Wir sind im Osten etabliert, müssen aber stärker auf dem westdeutschen Markt wachsen", sagt sie. Nur so könne die Firma langfristig gegen größere Wettbewerber bestehen. Das Unternehmen setzt dabei vor allem auf Qualität. "Wir zerlegen unser Fleisch noch selbst und wissen, was in unseren Produkten ist", so die Firmenchefin.

Im Jahr 2008 wurden wegen gestiegener Kosten die Preise um etwa 15 Prozent erhöht. "Wir hatten es nicht einfach, das bei den Einkäufern der Handelshäuser durchzusetzen." Doch die Unternehmerin sieht darin die einzige Chance, die Qualität zu erhalten und zu erhöhen. "Wir gehen unseren Weg. Wenn andere auf immer billiger setzen, ist dies ihre Sache", sagt sie. Denn Erdmann-Nitsch möchte, dass die wöchentliche Verkostung auch künftig noch schmeckt.