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Gymnasiast verübt Anschlag auf Schule

17.09.2009, 15:37

Ansbach/dpa. - Ein 18 Jahre alter Gymnasiast ist am Donnerstag in seiner Schule im mittelfränkischen Ansbach Amok gelaufen und hat dabei acht Schüler und einen Lehrer verletzt. Eine Elftklässlerin schwebte in Lebensgefahr, nachdem ihr der Täter mit einer Axt auf den Kopf geschlagen hatte.

Zudem erlitt eine Neuntklässlerin schwere Brandwunden, als der Jugendliche zwei Molotow-Cocktails in Klassenräume warf. Polizisten stoppten den Täter schließlich mit Schüssen aus einer Maschinenpistole und verletzten ihn schwer. Die Staatsanwaltschaft beantragte Haftbefehl wegen versuchten Mordes gegen den 18-Jährigen, dessen Motiv zunächst völlig unklar blieb.

Der in Ansbach lebende Schüler war am Morgen mit einer Axt, Messern und drei Molotow-Cocktails in das traditionsreiche Gymnasium Carolinum gestürmt. Jeweils einen Brandsatz warf der 18-Jährige in eine 9. und eine 11. Klasse im dritten Stock; es fing jedoch nur ein Raum Feuer. Nach der Attacke rannten zwei Schüler ins Direktorat und informierten die Schulleitung, die die Polizei alarmierte. Zudem setzte ein Schüler der 13. Klasse einen Notruf ab und begann mit den Löscharbeiten. Die Polizei rückte mit einem Großaufgebot an, zahlreiche Mannschaftswagen rasten zum Einsatzort.

Elf Minuten nach dem ersten Notruf, um 8.46 Uhr, wurde der Täter in der Toilette der Schule überwältigt. Weil er sich nicht sofort ergab, sondern auf die Besatzung eines Streifenwagens zuging, eröffneten die Beamtin und ihr Kollege das Feuer. Der 18-Jährige wurde von fünf Kugeln getroffen. Er wurde später in einer Klinik operiert. «Es gelang mit dem schnellen Einsatz, eine schlimmere Eskalation zu verhindern», sagte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Er bezeichnete den Zustand des Täters als kritisch. Der junge Mann war noch nie strafrechtlich in Erscheinung getreten.

Nach Augenzeugenberichten war die Tat offenbar kühl geplant. Der Täter habe erst einen Molotow-Cocktail ins Klassenzimmer geworfen und dann vor der Tür mit einer Axt auf die flüchtenden Jugendlichen gewartet und ein Mädchen damit getroffen, sagte ein Schüler der 10. Klasse dem Radiosender «Antenne Bayern». Den Täter selbst beschrieb er als Einzelgänger. «Er ist in der Klasse alleine gesessen.»

Nach Angaben von Schulleiter Franz Stark trugen Lehrer nach der Attacke die Verletzten aus der Schule und überprüften, ob alle die Klassenräume verlassen hatten. Die meisten der vom Feueralarm auf den Schulhof geholten Jugendlichen hätten zuerst an eine Übung geglaubt, berichtete Stark sichtlich bewegt. Der Unterricht am Freitag wurde abgesagt. Die Schüler sollen aber Gelegenheit erhalten, mit Fachleuten über das Erlebte zu sprechen. Thüringen und Baden- Württemberg boten nach ihren Erfahrungen mit den Amokläufen in Erfurt und Winnenden ihre Hilfe an. Die Stadt Ansbach richtete zudem ein Seelsorgetelefon ein.

Obwohl die Polizei von einem Einzeltäter ausging, durchsuchten Beamte die geräumte Schule. Die verletzten Schüler wurden zunächst in der Turnhalle untergebracht. Seelsorger und Psychologen betreuten in der nahegelegenen Arbeitsagentur auch die übrigen Kinder und Jugendlichen. «Die Schüler helfen sich gegenseitig vorbildlich», berichtete Oberbürgermeisterin Carda Seidel (parteilos). Auch Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) lobte das umsichtige Verhalten von Lehrern und Schülern.

Kritik äußerten hingegen Schülerinnen im lokalen Hörfunksender «Radio 8»: Das Gymnasium verfüge nicht wie andere Schulen über einen speziellen Amoklaufalarm. «Wir haben nicht mal eine Sprechanlage, nur so ein Feueralarmteil, diese Glocke», sagte ein Mädchen. Eine andere Schülerin unterstrich: «Wir waren total ahnungslos.» Innenminister Herrmann verteidigte hingegen das Auslösen des Feueralarms, auch wenn die Schüler dadurch ins Freie geholt wurden, statt sich in ihren Klassenräumen zu verbarrikadieren.

«So etwas lässt sich nicht vermeiden: Eine Schule ist kein Hochsicherheitstrakt», betonte Kultusminister Spaenle. Deshalb müsse es Präventionsmaßnahmen geben. Die bayerischen Lehrer forderten mehr Sicherheit an den Schulen.

Das Motiv des Täters blieb zunächst im Dunkeln. Amokläufer werden häufig von einer «Mischung aus kalter Wut und Verzweiflung» getrieben, sagte der Kriminalpsychologe Jens Hoffmann der Deutschen Presse-Agentur dpa. «Wir sehen in solchen Fällen immer wieder Zurückweisungen von Mädchen und persönliche Krisen.» Die Polizei will mehr über das Verhältnis zwischen Opfern und Tätern herausfinden.

Erst am Dienstag hatte in Bayern das neue Schuljahr begonnen. Das Carolinum mit seinen 650 Schülern ist das zweitälteste staatliche Gymnasium Bayerns. Gegründet wurde es im Jahr 1528. 1736 zog die Schule in das noch heute genutzte Gebäude mit seinem trutzigen Turm. Der Name «Gymnasium Carolinum Illustre» erinnert an den Ansbacher Markgrafen Carl Wilhelm.