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Gesundheit Gesundheit: Institut erwartet mehr Tote durch Schweinegrippe

03.11.2009, 09:12

Berlin/dpa. - Bei der steigenden Zahl von Schweinegrippe-Infektionen in Deutschland rechnet das Robert Koch-Institut (RKI)auch mit weiteren Todesfällen. «Die Welle, die wir für den Herbsterwartet haben, hat begonnen», sagte RKI-Präsident Jörg Hacker amMontag in Berlin. Neue Todesfälle und schwerere Krankheitsverläufeseien für die Zukunft nicht auszuschließen. Hacker wertete es als«Warnsignal», das es bei einer der sechs gestorbenen Schweinegrippe-Patienten in Deutschland keine Vorerkrankungen gab. Zuletztregistrierte das RKI Ende Oktober rund 3000 Fälle der Neuen Grippepro Woche. Die meisten Neuinfizierten pro 100 000 Einwohner leben inBayern und Mecklenburg-Vorpommern.

Mit den spürbar steigenden Krankheitszahlen habe dieSchweinegrippe wieder das Niveau der ersten kleine Welle im Juli undAugust erreicht, sagte Hacker. Der Unterschied sei aber, dass dieOktober-Erkrankungen nicht durch Urlaubsreisen eingeschleppt wurden,sondern die Patienten sich in Deutschland ansteckt hätten. DieZunahme der Fälle werde wahrscheinlich noch eine Weile anhalten.

Seit Mitte Juni sind für Deutschland fast 30 000 Schweinegrippe-Fälle registriert. In der Realität dürften es weitaus mehr sein, danicht jeder Kranke zum Arzt geht. Hacker spricht von einer«partiellen Untererfassung». In Europa sind bisher 317Schweinegrippe-Tote gemeldet, die meisten in Großbritannien.

Bei der Frage, wer sich unbedingt gegen Schweinegrippe impfenlassen soll, schließt er sich den Empfehlungen der StändigenImpfkommission an: medizinisches Personal, Schlüsselpersonal deröffentlichen Sicherheit und Ordnung, chronisch Kranke und Schwangerenach einer individuellen Beratung. Und die normale Bevölkerung? «Esgibt keine Impfpflicht. Jeder muss selbst wissen, wie er sich zu derImpfung verhält», sagte Hacker.

Die möglichen Nebenwirkungen wie Reaktionen an der Einstichstelleoder kurzzeitiges Fieber seien bekannt. Um die Grippewelleeinzudämmen sei es aber günstig, wenn sich viele Menschen impfenließen. Hacker selbst geht mit guten Beispiel voran. Er lässt sichgleich doppelt pieksen: gegen die saisonale Grippe und gegen dieSchweinegrippe. Jeder kann sich und andere zudem durch einfacheRegeln schützen: Häufig die Hände waschen und beim Husten oder Niesennicht die Hand vor das Gesicht halten sondern die Armbeuge.

Dass die Schweinegrippe-Welle rollt, merkt das RKI auch am«Praxisindex». Er misst, wie viele Patienten mit Atemwegs-Erkrankungen in ausgewählte Arztpraxen kommen. Bei typischenGrippesymptomen wie plötzlichem hohen Fieber schicken die ÄrzteRachen- oder Nasenabstriche ans Labor. Im Sommer lag die Zahlpositiver Schweinegrippe-Tests bei 8 bis 10 Prozent. Nun liege dieZahl bei 27 Prozent, ergänzte Hacker. Die normale saisonaleGrippewelle, an der jedes Jahr durchschnittlich 8 000 bis 11 000Menschen sterben, ist dagegen noch nicht gestartet.

Hacker hält die Diskussion um die Schweinegrippe nicht fürPanikmache. «Man muss die Todesfälle sehen», betonte er. Die engeVerbindung zwischen Pharmaindustrie und Impfkommission sieht er auchnicht per se als kritikwürdig an. «Impfstoffe müssen produziertwerden», sagte er. Ohne eine «Interaktion» mit Wissenschaftlern, diedas Virus bewerten, sei das nicht möglich. «Die Verbindungen zuUnternehmen werden transparent gemacht», betonte der RKI-Präsident.Beim Anschein von Befangenheit würden Mitglieder der Kommission beiBesprechungen den Raum verlassen. Hacker betonte aber auch, dass dieImpfkommission unabhängig vom RKI arbeite.

Bis auf die steigenden Krankheitszahlen hatte er auch guteNachrichten: Das Schweinegrippe-Virus hat sein Erbgut nach wie vornicht verändert. Es gibt also bisher keine Steigerung seinerkrankmachenden Wirkung. In Deutschland seien bei 400 Untersuchungenauch keine Virus-Varianten entdeckt worden, die nicht auf dasMedikament Tamiflu ansprachen. Eine Entwarnung ist das nicht. Wiebereits im Sommer betonte Hacker, dass das Virus mutieren kann. Undmit dem Blick auf das kalte, verregnete Berlin ergänzte er: «Das istGrippewetter.»