Geschichte Geschichte: Erinnerung in den Boden gegossen

Halle/mz-web. - Viele Hallenser versammelten sich am Sonntag auf dem Universitätsplatz. Dort wurde eine Gedenktafel zur Erinnerung an die Bücherverbrennung am 12. Mai 1933 eingeweiht. Universitätsrektor Prof. Wulf Diepenbrock und der hallesche Beigeordnete Hans-Jochen Marquardt enthüllten die Bodenplatte am einstigen Platz der Bücherverbrennung. So werde "die Erinnerung jetzt gewissermaßen in den Boden gegossen", sagt der Rektor Diepenbrock. Außerdem werde damit „gemeinsame Verantwortung demonstriert, die Universität und Stadt auf Dauer zu tragen haben".
Die Enthüllung wurde jedoch nur von wenigen Studierenden besucht. Anders vor 75 Jahren als sich etliche Hochschüler an der Bücherverbrennung beteiligten. Diesbezüglich stellte Prof. Wagner fest, dass der Geist der Toleranz und des Respekts vor dem jeweils Anderen eben auch an dieser Universität aktiv verteidigt werden müsse.
Gestaltet wurde die Bodenplatte aus Eisen vom halleschen Künstler Prof. Bernd Göbel. Ihre Inschrift soll an die Bücherverbrennung erinnern: „Auf diesem Platz wurden am 12. Mai 1933 durch Nationalsozialisten unter maßgeblicher Beteiligung von Studenten und Dozenten der Universität Bücher verbrannt." In anderer Blickrichtung lässt sich ein Zitat von Heinrich Heine entziffern: „Das war ein Vorspiel nur, dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen." Hans-Jochen Marquardt erklärte, dass man sich bewusst für schwer zu lesende Inschriften auf der Tafel entschied, damit "man sich wirklich Mühe geben muss, es zu entziffern. Man muss sich damit auseinandersetzen."
Uni-Rektor Diepenbrock betonte, dass sich aus der Bücherverbrennung die andauernde Verpflichtung ergibt, an die Ereignisse zu erinnern, "damit sich Ähnliches nicht wiederholt".
"Tag der Schande und der Barbarei"
Unter den Parolen "Wider dem undeutschen Geist" und "Raum für den Aufbruch deutschen Geistes" brannten im Frühjahr 1933 zunächst in Berlin, dann auch in allen anderen größeren Städten tausende Bücher von Autoren wie Sigmund Freud, Stefan Zweig, Heinrich und Thomas Mann, Bertolt Brecht oder Ernst Toller.
Prof. Patrik Wagner vom Institut für Geschichte der Martin-Luther-Universität schilderte detailliert die Ereignisse der Bücherverbrennung in Halle. Schon 1931 seien die halleschen Hochschüler mehrheitlich nationalsozialistisch organisiert gewesen, so dass auch die Bücherverbrennung von den Studenten initiiert und organisiert wurde. Ein Ausschuss des "Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes" erstellte zunächst den "Hallischen Generalindex jüdischer, marxistischer, pazifistischer und anderer volkszersetzenden Schriften" mit Büchern von insgesamt 140 Autoren.
Bereits im April 1933 forderten Studenten die hallesche Bevölkerung zur so genannten "Säuberung" ihrer Bücherregale auf. Die Hallenser folgten diesem Aufruf und gaben ihre "gesäuberten" Bücher an den dafür vorgesehenen Sammelstellen ab. Parallel dazu durchkämmten Hochschüler in Begleitung von Polizeibeamten die lokalen Bibliotheken und Buchläden. Dort beschlagnahmten sie die aus ihrer Sicht "undeutsche und volkszersetzende" Literatur.
Um halb neun am Abend des 12. Mai 1933 versammelten sich Studenten, Leitung und Lehrkörper der Universität sowie der hallesche Oberbürgermeister und Polizeipräsident auf dem Uniplatz und warfen unter Beifall tausender Einwohner die zuvor zusammengetragenen Bücher in den "Scheiterhaufen".
Enthüllung zum 70. Jahrestages der Pogromnacht
In seiner Ansprache betonte Diepenbrock, die Wahl des 70. Jahrestages der Pogromnacht sei bewusst. Die für jedermann sichtbare Gewalt gegen jüdische Mitbürger habe ihren Ausgangspunkt in der Bücherverbrennung gehabt und sei in der Shoa (übertragen: Holocaust) geendet.
Auch Beigeordneter Marquardt machte auf die Verbindung zwischen der Bücherverbrennung und der so genannten Reichspogromnacht aufmerksam. Das gewählte Zitat Heines habe sich "am 9. November 1938 auf grausamste Art und Weise bewahrheitet. Nun brannten Bücher und Synagogen", sagte er in seiner Rede. Deshalb müssen der 12. Mai 1933 und der 9. November 1938 im Zusammenhang erinnert werden.
