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Genetik Genetik: Verblüffende Ähnlichkeit

Von Ines Krause 17.05.2004, 17:35

Halle/MZ. - Was haben die Fruchtfliege und der Mensch gemeinsam? Nicht all zu viel, so scheint es auf den ersten Blick. Aber das stimmt nicht. Denn ihre Erbanlagen weisen erstaunliche Ähnlichkeiten auf. Deshalb nutzt man die winzigen Tiere seit Jahren für die Wissenschaft. An der Uni Halle etwa werden mit ihrer Hilfe Erbkrankheiten erforscht.

Das Leben der Fruchtfliege ist einfach und überschaubar. Um sich wohl zu fühlen, braucht sie eine Betriebstemperatur von etwa 25 Grad Celsius und eine gläserne Behausung, gefüllt mit einem Gemisch aus Hefe, Grieß, Mehl und Sirup. Und schon vermehrt sie sich rege.

Eine der weltweit mehr als 100 Fruchtfliegen-Arten bekommt all diese Bedingungen an der Uni Halle zur Verfügung gestellt. Denn dort ist sie seit Jahren Gegenstand der genetischen Forschung. Der Grund dafür mag zunächst erstaunlich klingen: Die Erbanlagen dieser Fruchtfliegenart, lateinisch Drosophila melanogaster, sind auffallend identisch mit denen des Menschen. "Deshalb ist sie für uns ein ideales Forschungsobjekt", sagt Prof. Gunter Reuter, der schon seit Ende der 70er Jahre mit den winzigen Tieren arbeitet. Einerseits könne man den Studenten anhand der Drosophila ganz unkompliziert die Vererbungslehre beibringen, andererseits - und das ist noch wichtiger - zeigen die Fliegen ähnliche Vererbungsgesetze wie Säugetiere.

Dieses Phänomen nutzen Wissenschaftler seit langem, indem sie die Drosophila als so genanntes Modelltier verwenden. Das bedeutet: "Genetische Erkenntnisse, die wir an der Drosophila gewinnen, können oft auch analog für Säugetiere gelten", so Reuter, der vor 1989 in Halle die einzige Drosophila-Forschergruppe der DDR leitete.

Damals schon suchte er Antworten auf die Frage, wie die Verpackung der Erbinformation gesteuert wird. Diese nämlich ist beim Menschen mehrere Meter lang. - Eine Fülle an Informationen, die im Zellkern verpackt auf nur wenigen tausendstel Millimetern Platz finden muss. "Uns interessierte, wie genau das vor sich geht", so der 53-jährige Genetiker. Die Fliege war dafür wieder Mittel zum Zweck. Reuter identifizierte bei ihr etwa 200 Gene, die anschließend gentechnisch isoliert und analysiert wurden. "Inzwischen wissen wir, dass diese Gene bei der Drosophila die Verpackung der Erbanlagen steuern", sagt Reuter. Ein Vergleich mit der DNA des Menschen ergab, "dass diese Gene fast vollständig identisch sind". Die Ähnlichkeiten der genetischen Steuerprozesse von Mensch und Drosophila sind lange bekannt. So weißt man zum Beispiel, dass die Entwicklung des Flügels der Fliege analog zur Entwicklung der Gliedmaßen von Säugetieren abläuft.

Aber nicht nur Ähnlichkeiten untersuchen die Forscher. "Denn die Drosophila kann uns bei der Aufklärung genetisch bedingter Krankheiten helfen", sagt Gunter Reuter. Gerade beschäftigt er sich innerhalb eines Sonderforschungsbereichs mit dieser Problematik. Das Projekt wird von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert und soll Aufschluss über die Entstehung des Wolf-Hirschhorn-Syndroms, einer menschlichen Erbkrankheit, bringen. Das Gen, das die Krankheit beim Menschen auslöst und auch im Verdacht steht, Krebs zu verursachen, gibt es auch bei der Drosophila. "Um der Entstehung des Syndroms auf die Spur zu kommen, haben wir es bei der Fruchtfliege zerstört", sagt Reuter. Jetzt werden die Tiere beobachtet. Erste Hinweise, wie die Krankheit bei ihnen entsteht, gibt es schon. Reuter: "Das hängt mit Proteinen zusammen, die die DNA in bestimmter Weise verändern".