Geisteswissenschaften Geisteswissenschaften: Philosophie ist keine «brotlose Kunst»

Düsseldorf/Hannover/dpa. - Der Philosophiestudent stelltFragen an die Welt, muss sich aber vor allem selbst Fragen gefallenlassen: Wie weltfremd ist er eigentlich - und was bringt derabstrakte Inhalt im Beruf? Der fertige Philosoph steht auf demArbeitsmarkt nicht selten vor verschlossenen Türen. Dabei bietet dasexotische Studienfach besondere Vorteile. Absolventen des Philosophiestudiums stehen vor demselben Problemwie die meisten Geisteswissenschaftler: Sie scheinen auf den erstenBlick für keinen anderen Beruf ausgebildet zu sein als für die Lehreihres Fachs an Hochschulen und Schulen. «Philosophie ist kein Fachwie Jura oder Medizin, das einem fest umrissenen Berufsfeldzugeordnet ist», erklärt Eckhard Homann vom philosophischen Institutder Universität Hannover.
Trotzdem ist das Argument der «brotlosen Kunst Philosophie» oftein Missverständnis. «Viele Geisteswissenschaftler finden bereitseinen Job, bevor sie den Abschluss erreicht haben», sagt Prof. JensHalfwassen vom Philosophischen Seminar der Uni Heidelberg.
Bernd Wagner hat in Düsseldorf Philosophie studiert und dannpromoviert. Heute ist er Umweltreferent einesVersicherungsunternehmens. «Philosophie ist keine Seelenpflege oderEgo-Therapie», sagt er. Auch der Mathematiker könne schließlich einEigenbrötler sein. «Vorurteile liegen nicht nur am allgemeinenUnverständnis, sondern auch am Philosophen selber.» Dieser müssebereit sein, sich praxisrelevanten Themen zu widmen.
Dem Gerücht, der Philosophiestudent sei ein unausweichlicher Fallfür Hartz IV, stehen einige Vorteile des fertigen Philosophenentgegen. Vor allem lernt der Philosophiestudent formaleQualifikationen, die in den unterschiedlichsten Berufen eingesetztwerden können, sagt Philosophieprofessor Dieter Birnbacher von derUniversität Düsseldorf. Dazu gehöre neben dem strukturierten Denkendas Argumentieren, die Kritikfähigkeit und Kreativität.
Da er Ahnung von formalen Systemen habe, könne er nach einerzusätzlichen Ausbildung zum Beispiel in der Computer-Branche tätigwerden. Nicht zu unterschätzen sei der spezielle Bonus desPhilosophen: «Er hat seine Füße in der Realität, denn er hatsämtliche Gegenwartsfragen von der Medizin- oder Medienethik bis zurPolitik behandelt», sagt Prof. Birnbacher.
«Dem Philosophiestudenten steht ein breites und flexibles Spektrumvon Anwendungsmöglichkeiten offen», meint Prof. Halfwassen. SeineJobmöglichkeiten reichen vom Verlagswesen über die Medienarbeit biszur Tourismus- oder Werbebranche. Nicht selten folgen demPhilosophiestudium auch Tätigkeiten in der Wirtschaft, etwa imPersonalwesen, in der Verwaltung oder Unternehmensberatung.
Um sich für die «fachfremden» Berufe das erforderliche Handwerkanzueignen, ist es allerdings laut Birnbacher notwendig, sich schonfrüh durch Praktika ein zweites Standbein aufzubauen. Außerdem sei essinnvoll, neben Philosophie weitere praxisnahe Fächer zu studieren.
Traditionell wählen Philosophiestudenten ein Hauptfach und zweiNebenfächer und schließen mit Magister ab. «In einer Regelstudienzeitvon neun Semestern werden philosophische Texte und Disziplinenhistorisch und systematisch erarbeitet», so Eckhard Homann von derUni Hannover. Aber gerade im Magisterstudium Philosophie sindLangzeitstudenten nicht selten. Die Studiendauer liegt im Schnitt beimehr als 13 Semestern, das Durchschnittsalter der Absolventen bei 31Jahren, sagt Michael Weegen vom Informationssystem Studienwahl undArbeitsmarkt (ISA) der Universität Essen.
Demgegenüber biete der Bachelor einige Vorteile. Das vor dreiJahren an der Uni Düsseldorf eingeführte Bachelorstudium ist aufsechs Semester begrenzt, und die Studienorganisation ist straffer.«Der Bachelor ist praxisorientierter», sagt Prof. Birnbacher.Anschließend ist ein Masterstudium möglich.
Mit dem Bachelor sei auch die hohe Zahl der Studienabbrecher inPhilosophie zurückgegangen, sagt Birnbacher. Denn generell ist dieZahl der Absolventen im Verhältnis zu den Studienanfängern sehrgering, bestätigt Michael Weegen vom ISA. 2003 haben an deutschenUniversitäten nur 500 Studenten in Philosophie ihren Abschlussgemacht - Lehramtsstudenten nicht mitgezählt. Die Rate der Abschlüsseliegt bundesweit bei maximal zehn Prozent, sagt Homann.
«Philosophie ist ein schwieriges Studium, das man nichtunterschätzen soll», meint Michael Weegen. Voraussetzung für die Wahldieses Studienfaches sei Neugier und Hartnäckigkeit. Eine Prognosefür den Studienerfolg kann man rechtzeitig stellen: Gute Schulnotenin Mathematik weisen auf eine ausreichende Kompetenz in der Logik,und in Deutsch auf gute Sprachfähigkeiten hin, sagt Birnbacher. Hatsich die Wahl des Fachs bewährt, wird sie häufig vom Doktortitelgekrönt: Immerhin hat laut einer ISA-Studie aus dem Jahr 2003 knappdie Hälfte aller Absolventen in Philosophie promoviert.
