Freudentränen
Halle (Saale)/MZ. - Die Überraschung war gelungen: Niemand im Kinderhaus "Schnitte" in der Halle-Neustädter Unstrutstraße wusste etwas vom Besuch des Nikolaus'. Der schneite in Gestalt von Vertretern der Firma MVZ Medizinisch-Diagnostisches Labor Halle mit riesigen Geschenkekartons am Donnerstag völlig unverhofft herein - und machte ein Dutzend Kinder und ihre Leiterin Bettina Schaper glücklich. Der Verein "Wir helfen" hatte den Besuch organisiert.
"Ich hab meine Stiefel geputzt, aber es war nichts drin." Das zehnjährige Mädchen, dessen Eltern aus Syrien stammen, schaut traurig in die Runde. Auch andere Kinder erzählen, dass zu Hause kein Nikolaus bei ihnen gewesen sei. Umso größer ist die Freude in der "Schnitte", als Angela Strechel, Susanne Du Bois und Sandra Brosche vom Medizinisch-Diagnostischen Labor riesige Kartons mit Spielzeug und Süßigkeiten überreichen. Nachdem die Firma dem Verein "Wir helfen" eine Geldspende über 1 000 Euro überwiesen hatte, wollten die Mitarbeiter noch etwas ganz Persönliches tun. "Und so entstand die Idee von den Geschenken für bedürftige Kinder", erzählt Dr. Angela Strechel, die ärztliche Leiterin des Großlabors. Fast jeder der etwa 70 Mitarbeiter habe sich beteiligt.
Bei manchem Kind fließen Tränen, als es ein Kuscheltier an sich drückt. Andere sind ganz stumm, staunen nur. Vorsichtig greifen die Kinder in die Kartons, fördern Puppen, Stofftiere, Gesellschaftsspiele und vieles mehr zu Tage. Der siebenjährige Justin will den singenden Hund gar nicht mehr loslassen. Aber für die Verteilung der Geschenke ist Bettina Schaper zuständig. "Die Zeichenblöcke und das meiste Spielzeug bleiben hier", entscheidet die "Schnitte"-Leiterin. Die Spenden sollen allen Kindern zugute kommen und gemeinsam genutzt werden, sagt sie. Und erstaunlich: Es gibt keinen Widerspruch, kein Maulen der Kinder. Auch von Justin nicht. "Ich bin sowieso in meiner Freizeit meistens hier", sagt Mohammed (10). Zum Mitnehmen für zu Hause bekommt jedes Kind später freilich auch noch eine Kleinigkeit. Auch der CVJM hatte den Nikolaustag nicht vergessen.
Die Frauen aus dem Labor spüren, dass ihre Spenden den richtigen Abnehmer gefunden haben. Bescheiden ist die "Schnitte" eingerichtet. Alles ist blitzeblank. Mitarbeiter und Kinder scheinen das, was sie haben, wie ihren Augapfel zu hüten. Und wenn Friedhelm Fitz, der Chef aller "Schnitten", über seine Arbeit mit armen Kindern spricht, werden die Besucherinnen nachdenklich. Manchmal kämen Eltern verzweifelt, weil sie die drei Euro, die pro Monat für ein Kind für die umfassende Betreuung zu bezahlen sind, nicht haben. Und: Eine Schlittenpartie habe ausfallen müssen, weil nicht alle Kinder entsprechende Schuhe und Jacken hatten. Auch die Anmerkung der Köchin, Andrea Naumann, spricht Bände: "Mäkelei kennen wir gar nicht. Die Kinder essen jedes Gericht mit Dankbarkeit."
Während Lisa (12) erzählt, dass sie sich zu Weihnachten ein Touchscreen-Handy wünscht, stupsen zwei kleine Jungen und zwei Mädchen aus Syrien beziehungsweise dem Irak die Nikolaus-Gäste immer wieder an. Sie wollen etwas loswerden: "Bei uns ist Krieg", sagt die zehnjährige Lawa schließlich. Im Raum ist es ganz leise. Verlegen streichelt ihr eine Erwachsene über den Kopf. Als jemand "Guckt mal, ein Auto" aus der Geschenkeecke ruft, zieht wieder Fröhlichkeit ein.
Die "Schnitte-Kinder" fühlen sich vielen Spendern und hilfsbereiten Anwohnern gegenüber dankbar. Eifrig haben sie das Musical "Die Weihnachtsmäuse" einstudiert. Die neunjährige Lilav ist aufgeregt. Sie wird mit Krone und Umhang auftreten. Zur Premiere am 18. Dezember laden die Kinder alle Interessierten um 15 Uhr in ihre Einrichtung zur Weihnachtsfeier ein.
Kontakt zur "Schnitte" über Telefon: 0345 / 29 41 519