«Formost» «Formost»: DDR-Design dem Vergessen entreißen

Schwerin/dpa. - Plauener Spitzen vor bunten Plastikbottichen,dazu Hotelgeschirr «Rationell» in trauter Einheit mit Jenaer Glas -das junge Schweriner Unternehmen Formost will 20 Jahre nach derWiedervereinigung mit einem Laden und Internetshop ostdeutschesDesign samt seiner Macher dem Vergessen entreißen. «In der deutschenDesigngeschichte klafft ein Geschichtsloch von 50 Jahren», istInhaber Matthias Kanter überzeugt. Ein Grund sei die kollektiveFormgestaltung zu DDR-Zeiten, die Namen einzelner Designer wie HedwigBollhagen (1907-2001), Hubert Petras oder Margarete Jahny in derAnonymität habe verblassen lassen.
Geboren 1968 in der Bauhaus-Stadt Dessau (Sachsen-Anhalt),studierte Kanter Malerei in Dresden. Heute hat der zweifacheFamilienvater sein Atelier im mecklenburgischen Friedrichshagen nahedem Künstlerhaus Schloss Plüschow (Nordwestmecklenburg). Ihn treibekeine DDR-Nostalgie um, sagt er. Doch Industrieprodukte von Weltrang,die heute teils noch oder wieder hergestellt würden und vor allem imAusland gefragt seien, dürften nicht aus deutschen Kunstbüchernverschwinden, meint er. Formost habe sich daher auch dietiefgründige Recherche auf die Fahnen geschrieben. Doch die Ideeeines ersten Ost-Design-Museums liegt seit Jahren auf Eis.
Als «Museumsshop ohne Museum» lobt der Berliner Journalist GünterHöhne die Schweriner Initiative. Höhne war von 1984 bis 1989Chefredakteur der DDR-Fachzeitschrift «form+zweck» des staatlichenAmtes für industrielle Formgestaltung. Der Buchautor und Sammler giltals Ost-Design-Experte. «Gestaltungsqualitäten, die historischgewachsen und nicht gestorben sind, werden wiederbelebt», sagt er.Bester Standort für das geplante Museum wäre Wismar. Seit dem Jahr2000 studieren dort wieder Produktdesigner in Tradition der früherenFachschule für angewandte Kunst, die 1949 in der Hansestadt als ersteDDR-Design-Schule gegründet worden und ab 1953 in Heiligendammangesiedelt war.
FormOst habe nichts mit «Ostalgie» zu tun, betont auch Höhne. «DasUnternehmen bietet vielmehr Betrieben ein Podium, die tapferdurchgehalten haben.» Viele zeitlos zweckmäßige Produkte seien heuteals Ost-Erfindung gar nicht mehr zu erkennen, da in der DDR fastalles ohne Namen des Designers auf den Markt kam. So auch die 1975von Hubert Petras entworfenen Plastikbottiche. Die Kunststoff-Klassiker werden bis heute im sächsischen Ottendorf-Okrilla beiDresden gepresst. Inzwischen allerdings mit mehr Farbpigmenten, diein der DDR zu teuer waren. «Doch im Prinzip sind die Bottiche nichtmehr besser zu machen», meint Höhne. Viele ostdeutscheIndustrieprodukte seien anders als ihre West-Pendants für dendauerhaften Gebrauch entworfen worden und daher «eher praktisch alsmodisch orientiert» gewesen.
Bundesweit vermisse er eine fundierte deutsche Design-Geschichtsschreibung, kritisiert Höhne. «Dabei geht es doch umDinge, die uns täglich berühren und daher prägen - wie diePlastekübel von Petras, Tassen einer Bollhagen oder Eierlöffel vonWilhelm Wagenfeld (1900-1990).» In Mecklenburg-Vorpommern könnte ein«Produktkulturmuseum» als echtes Novum und «Leuchtturm» für deutschesDesign entstehen, meint der Experte. Formost-Gründer Kanter will vorallem die unvoreingenommene Jugend für zeitloses DDR-Designbegeistern und junge Produkterfinder mit Traditionsherstellernzusammenbringen. «Eine Renaissance der Formgestaltung in Deutschlandist durchaus möglich», sagt er.