Folterdrohung Folterdrohung: Nicht immer gilt: Der Zweck heiligt die Mittel
Halle/MZ. - Welch ein Gewissenskonflikt!Auf der einen Seite das Verbot der Folter,auf der anderen Seite ein elfjähriges Kind,von einem skrupellosen Entführer irgendwoversteckt, möglicherweise kurz vor dem Erstickenoder Verdursten.
In dieser Situation ließ Wolfgang Daschner,der Vizepräsident der Frankfurter Polizei,dem Kindesentführer Gewalt androhen und hättedas bei Bedarf auch umgesetzt. Die aufwühlendeKonstellation macht Daschners Verhalten zwarnicht rechtmäßig, aber das Gericht könnteeine relativ milde Strafe verhängen.
Nach Daschners Auftritt am ersten Prozesstagist allerdings fraglich geworden, ob ein nachsichtigesUrteil hier wirklich angebracht ist. DennMilde kann es im Strafprozess nur geben, wennein Täter einsichtig ist und Reue zeigt. Dasist bei Daschner aber nicht der Fall. Er agiertselbstgerecht und sieht nicht, welchen Tabubrucher begangen hat.
Daschner biegt sich die Rechtsordnung so zurecht,dass sein offensichtlich strafbares Handelnsogar als Notwendigkeit erscheint. Wer denVerzicht auf Folter als "unterlassene Hilfeleistung"bezeichnet, erklärt die Folter geradezu zurPflicht. Würden Daschners Maximen in der Polizeiallgemein angewandt, dann wäre Deutschlandlängst ein Folterstaat.
Daschner ist gefährlich, gerade weil er sichweigert, in seinem Fall von Folter zusprechen. Folter gibt es für ihn offensichtlichnur in Afrika. Quälen deutsche Polizisteneinen Inhaftierten, um Aussagen zu erzwingen,dann soll das ganz neutral "unmittelbarerZwang" genannt werden.
Doch egal welchen Begriff man wählt: Die Zufügungvon Schmerzen, um eine Aussage zu erlangen,ist verboten. Nach dem Anti-Folter-Übereinkommender Vereinten Nationen, nach dem Grundgesetz,nach der Strafprozessordnung und auch nachdem hessischen Polizeigesetz. Nirgendwo isteine Ausnahme vorgesehen. Nicht zum Kampfgegen Terror, nicht zur Rettung eines entführtenKindes.
Hier gilt eben nicht der Satz: Der Zweck heiligtdie Mittel. Denn es ist ein großer Fortschrittder Menschheit, dass die Folter inzwischenweltweit geächtet ist. Die vereinzelten Erfolge,die möglicherweise mit dem Einsatz von Foltererreicht würden, sind nichts im Vergleichzum Leid, das durch ein allumfassendes Folterverbotvermieden wird.
Wohin eine punktuelle Lockerung des Folterverbotsselbst bei einer traditionsreichen Demokratiewie den Vereinigten Staaten führt, haben dieBilder aus dem irakischen Gefängnis Abu Ghoreibund die Berichte vom Gefangenencamp in Guantanamogezeigt.
Deshalb muss auch weiterhin gelten: Probleme,die nur mit Hilfe von Folter zu lösen sind,sind im Rechtsstaat eben nicht lösbar, sotragisch das im Einzelfall auch ist.
Und ein Polizist, der anders handelt und diesauch noch selbstgerecht verteidigt, hat keinmildes Urteil verdient.