Finanzwesen Finanzwesen: Faule Privatkredite bedrohen Russlands Banken
Moskau/dpa. - Die Bedrohung ist für Russlands Zentralbankchefgreifbar: Die steigende Zahl in Verzug geratener Verbraucherkredite bringe das gesamte russische Bankensystem in Gefahr, warnte SergejIgnatjew. Experten gehen mittlerweile davon aus, dass jeder dritteprivate Schuldner seinen Kredit nicht fristgerecht zurückzahlenkann. Der Boom beim Geschäft mit den Privatkrediten könnte sich sozum Fluch für Russlands immer noch schwache Branche entwickeln.
Russlands Verbraucher haben die Lust am Konsum entdeckt: In neuenHochglanz-Einkaufszentren locken Kleidung, Technik und Neuwagen. Um20 Prozent wuchs der private Verbrauch allein im vergangenen Jahr undtrug neben den hohen Einnahmen aus dem Öl- und Gasexport zumkräftigen russischen Wirtschaftswachstum von 6,7 Prozent bei. Wo derLohn nicht reicht, dienen Privatkredite als Abkürzung zum schnellenBesitz. Anschließend fehlt es oft selbst am Geld, um auch nur diehohen Zinsen zu bezahlen.
«Viele Banker sehen schon lange das Gespenst der Krise durch ihreReihen wandeln», schreibt das Nachrichtenmagazin «Russkij Newsweek».Experten warnen, die faulen Kredite könnten die Liquidität desgesamten russischen Bankensektors gefährden. Anzeichen dafür gebe esbereits. Dabei sind die Wachstumsraten auf den ersten Blickatemberaubend: Allein in den vergangenen fünf Jahren ist das Volumender Privatkredite in Russland auf das Zwanzigfache gestiegen.
«Das Leben auf Pump ist zum integralen Bestandteil des russischenWirtschaftsmodells der vergangenen Jahre geworden», schreibt «RusskijNewsweek». Das 142-Millionen-Volk hat sich nach Angaben derrussischen Zentralbank insgesamt mit zwei Billionen Rubel (58Mrd Euro) verschuldet. Jeder dritte Russe hat schon einmaleinen Kredit aufgenommen. Im Schnitt leihen die Schuldner sich 40 000Rubel (1166 Euro) - bei einem Durchschnittslohn von landesweit nurknapp 10 000 Rubel im Monat.
Im vergangenen Jahr hat sich die Zahl der in Verzug geratenenKredite verdreifacht. 33 Milliarden Rubel Schulden sind faul. EineEntspannung der Lage ist nicht in Sicht. «Die Risiken sind in derVergangenheit angehäuft worden», sagt Rustam Bataschow von derInvestmentbank Aton-Broker der russischen Tageszeitung «Kommersant».Die Banken müssten ihre Kunden sorgfältiger überprüfen, fordertSergej Galkin von der MDM-Bank. «Aber im vergangenen Jahr legten vorallem riskante Kredite kräftig zu.»
Verschleierte effektive Zinssätze und die Unerfahrenheit derrussischen Bevölkerung im Umgang mit den Geldleihern verschärfen dasProblem. Nominale und effektive Zinssätze unterscheiden sich inmanchen Fällen um das Vierfache. Dem will die Zentralbank nun einenRiegel vorschieben. Vom 1. Juli an müssen Kreditinstitute dentatsächlichen Zinssatz unter Berücksichtigung aller anfallendenGebühren angeben.
Was aussieht wie ein Schritt zu mehr fairem Wettbewerb, trifft imBankensektor jedoch auch auf Kritik. «Ziel mancher Kreditinstituteist nicht, die Zahl ausgefallener Kredite zu minimieren, sondern denGewinn bei einem bestimmten Anteil von Ausfällen zu maximieren»,beschreibt der Analyst Michail Matownikow das riskante Spiel derBanken. Doch auch die Bankenwelt versucht nun, die Entwicklung mitmehr Kontrolle zu bremsen: Die russische Wirtschaftszeitung «RBKdaily» berichtete, das nationale Büro für Kreditvorgänge, RusslandsGegenstück zur Schufa, verlange Zugriff auf die Daten vonPassbehörde, Finanzamt und Rentenkasse.
Hilfe für hoffnungslos überschuldete Kreditnehmer kommt derweilvon Regierungsseite. Nach Angaben von «Russkij Newsweek» bastelt dasWirtschaftsministerium derzeit an einem Gesetz, das den Privatkonkursregeln soll. Damit bekämen Schuldner die Chance zum Neuanfang.